von nemofisch
Sie saß neben mir und ich versuchte sie unbemerkt zu beobachten. Das ich Interesse an Frauen hatte, war mir durch die ein oder andere angetrunkene Erfahrung bereits bewusst. Trotzdem beschränkten sich meine Beziehungen bis her auf das männliche Geschlecht. Doch diesmal war etwas anders. Ich schaute sie an und ich wollte... mehr. Ich wollte mehr als sie nur anschauen und ein bisschen für sie schwärmen. Statt vor diesem Gefühl wegzulaufen hatte ich das erste mal das Bedürfnis, es auszureizen. Wie weit konnte, wie weit wollte ich gehen? Bisher war mir meine Neigung zu Frauen immer etwas unheimlich gewesen. Ich schloss sie ein, in die Kiste der 'Erfahrungen die man halt mal macht' ohne weiter darüber nachzudenken. Denn irgendwie machte es mir Angst- Es war nicht ungewohnt aber ungewiss. Ich war, bis zu diesem Zeitpunkt, nicht in der Lage mir einzugestehen, dass ich auf Frauen stand.
Doch da war sie, die Frau, von der ich eindeutig mehr wollte als sie nur anzugucken. Ich schluckte. Und jetzt?
[...]
"Mama ich zieh um!", in die WG, in der eine gute Freundin meiner Freundin wohnt. Freundin. Während ich das Worte dachte und immer wenn ich es aussprach, machte sich ein warmes Gefühl in mir breit. Es war so einfach, so unkompliziert für sie zu empfinden. Ich begann zu realisieren, wie sehr ich in meinen vorherigen Beziehungen um die Gefühle gekämpft hatte. Jetzt waren sie so selbstverständlich. Ich war glücklich, hatte das Gefühl, dass ich dort angekommen war, wo ich hingehörte. "Und ich muss dir noch etwas sagen Mama.", mein Herz schlug wie wild. Sie lachte. "Du hast einen Freund?", ich schluckte meine Angst vor ihrer Reaktion herunter. "Nein, eine Freundin.", sie schwieg. In den wenigen Sekunden, in denen meine Mutter nichts sagte, blieb mein Herz stehen. Konnte auf etwas, was mir das Gefühl gab, endlich vollständig zu sein wirklich eine negative Reaktion kommen? Wie unfair, wie hart, wie gemein war diese Welt, dass ich meinen Atem anhielt aus Angst, dass meine eigene Mutter meine Partnerwahl nicht akzeptierte. "Bist du glücklich?", fragte sie. "Mehr als je zuvor.", "Dann bin ich es auch. Ich freu mich für dich!", ich konnte hören, wie sie am anderen Ende der Leitung lächelte. Meine Mama. Auf einmal kam es mir unglaublich absurd vor, dass ich Angst vor diesem Gespräch hatte. Ich kenne doch meine Mama, meine tolle Mama!
Meine ganze Familie machte mir daraufhin mein Outing einfach. Endlich war ich angekommen. Das Versteckspiel, primär vor mir selbst, hatte ein Ende.
Ich konnte zufrieden sein, glücklich mit mir selbst.
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