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Zwei Seelen (2)

von onlylove


Sie konnte ein herzhaftes Gähnen nicht unterdrücken. Dabei war ihre Soziologie Vorlesung nicht einmal langweilig. Ihr Professor war noch jung und hatte diese gewisse Motivation, die die Studenten mitreißen konnte. Doch dies wäre noch nicht mal nötig gewesen, handelte der Kurs doch von ihrem Lieblingsthema, der Akzeptanz von Minderheiten in der heutigen Gesellschaft. Sie wollte nicht nur die weit bekannte Ansicht der Öffentlichkeit analysieren, vor allem interessierte sie die wirkliche Meinung jedes einzelnen, die meist weit entfernt vom allgemeinen Bild lag. Ihre Müdigkeit schein heute allerdings jegliche produktiven Gedanken aus ihrem Gehirn zu verjagen. Sie hatte seit zwei Nächten kaum geschlafen.

Sonntagabend war sie so verwirrt gewesen, dass sie die ganze Nacht wach gelegen war und den Nachmittag in Gedanken wieder und wieder durchgespielt hatte. Schließlich hatte sie es nicht mehr aushalten können. Sie hatte sich ihre Windjacke übergeworfen und war mit Rhea um den Block gerannt.
Nachdem sie eine Runde unterwegs gewesen war, fühlte sie sich durchaus besser, doch sie lief einfach weiter. Sie wohnte am Rand der Stadt, die Häuser waren gemütliche Reihen- oder Familienhäuser, meistens mit üppigen, grünen Gärten ausgestattet. Nachts war es sehr ruhig hier. Ab und zu hörte sie die Straßenbahn in der Ferne vorbeirumpeln, doch eigentlich war Hundegebell und Katzengeschrei die einzige Geräuschskulisse. Die Luft war in dieser Nacht kalt und frisch, aber die Landschaft hatte die Sonne des Tages aufgesaugt und atmete sie jetzt ruhig und gleichmäßig aus. Obwohl alles schlief, spürte sie, wie die Natur am Erwachen war. Nicht mehr lange und sie würde wieder inmitten grüner Bäume und Gras leben, könnte sich im Garten sonnen und Barbecues veranstalten. Sie lief ein weiteres Mal um die Ansammlung von idyllischen Wohnstätten. Langsam wurde es anstrengend, doch es befreite ihre festgefahrenen Gedanken.
Sie spürte Glück.
Die Nacht war so wunderschön, auf einmal erschienen ihr die Ereignisse des Tages in einem magischen Licht. Sie sah dieses Lächeln der geheimnisvollen Dunkelhaarigen vor sich, welches sie zusammen mit Rhea angesprungen hatte, als sie um die Wegecke gebogen war. Es war ehrlich und frei erschienen, hatte sie sofort mitgerissen. Es machte sie gesprächig, doch dann hatte sich das Auftreten der Anderen geändert. Es schien desinteressiert, zurückhaltend. Hinzu kam eine undefinierbare Traurigkeit, die ihr entgegenzuschlagen schien. Es ist schon erstaunlich, sie hatte diese Frau noch nicht einmal fünf Minuten gesehen und schon war ihre Neugierde geweckt. Nein, es war mehr als Neugierde, es handelte sich um ein tiefes Drängen, diese Aura, die die Fremde umgab zu entschlüsseln. Denn sie hatte Lebensfreude gesehen in zwei blitzenden grünen Augen, welche von einem markanten Gesicht umrahmt wurden. Das Kinn war eckig geschnitten, harmonierte jedoch wunderschön mit dem restlichen Gesicht, das wiederum rund erschien. Es wirkte sehr weiblich, zwar weder sanft noch zart, sondern kraftvoll. Ihre Kleidung strahlte eine perfekte Mischung aus Lässigkeit und Eleganz aus, die durch den Hut auf ihrem Kopf zusammengeführt wurde.
Diesen Hut würde sie nie vergessen, es war ein Männerhut, der durch seine Anwesenheit die Weiblichkeit der Betreffenden verstärkte.
Kontraste, diese Frau schien aus Kontrasten zu bestehen. So auch ihre Stimmung. Von einer Sekunde auf die andere war diese um 180 Grad umgeschlagen.
Sie verspürte eine starke Sehnsucht diese junge Frau kennen- und vor allem verstehen zu lernen. Doch jene blieb schweigsam, beinahe abweisend.
Rheas Frauchen war noch durch das unerwartete Treffen motiviert und so probierte sie zumindest eine Möglichkeit auf ein Wiedersehen herzustellen. Hatte sie sich getäuscht, oder hatte sich die andere wirklich gefreut, als sie ihr sagte, man könne sich eines anderen Tages beim Spazierengehen treffen? Leider sah sie darauf hin nur noch einen schnell entfernenden Rücken, getragen von sich im hastigen Rhythmus bewegenden Beinen.
Sie blieb alleine stehen und war zuerst wie vor dem Kopf gehauen. Alles war so schnell verlaufen, dass sie es weder aufnehmen noch verarbeiten konnte. Zurück blieb ein wager Eindruck des Glücks und ein starkes Gefühl von Verwirrtheit.
Abends, nachdem sie einen danach ereignislosen Tag verbracht hatte, entfaltete sich die Kraft der Realität. Alles was passiert war, spielte sich wieder und wieder in ihrem Kopf ab. Es erschien ihr negativ, aussichtslos. Die Fremde war wirklich nicht begeistert gewesen. Wahrscheinlich hatte sie ihre eigenen Probleme, warum sollte sie sich Gedanken um dieses Treffen machen, geschweige denn an einer Wiederholung interessiert sein? Ein dumpfes Gefühl, breitete sich in ihrem Magen aus. Immer wenn sie eine aufregende Frau traf, war diese nicht interessiert. Sie war es Leid, immer diejenige zu sein, die Kontakt aufnahm, die auf ein Treffen drängte, die flirtete, die kämpfte, die sich hergab. Nicht, dass sie keinen Erfolg bei Frauen hätte, doch nur auf einer oberflächlichen, sehr temporären Ebene. Ging es um ein tiefergehendes Verlangen, kamen doch immer nur halbherzige Reaktionen. Die Zweite vergaß schnell, was sich bei ihr selbst in die Gedanken einbrannte.
Nein, sie wollte dies nicht mehr. Angst entfaltete sich in ihr, fraß langsam und grausam ihr Glücksgefühl auf, bis sie unruhig und schlecht gelaunt im Bett lag.
So war es die ganze Nacht gegangen, doch jetzt während sie rannte, waren die Ereignisse in dieses neue, magische Licht getaucht.
Sie würde am nächsten Tag wieder mit Rhea in den Park gehen und dort würde sie der Fremden über den Weg laufen. Mehr wollte sie gar nicht.
So fiel sie dann um halb sechs Uhr morgens total erschöpft ins Bett um drei Stunden später übermüdet aufzuwachen. Ihr Körper stand unter einer ungeheuren Spannung.
Nachmittags im Park dehnte sich diese Spannung ins Unerträgliche aus, denn sie blieb allein, obwohl sie mindestens eine Stunde umherwanderte. Wieder Zuhause angekommen ging es ihr schlechter als in der Nacht zuvor. Sie hatte eine kleine Sache in Gedanken viel zu groß werden lassen. Es gab keinen Grund sich schlecht zu fühlen oder aufgeregt zu sein, denn es war absolut gar nichts passiert. Warum sie sich auch immer in solche Dinge hereinsteigern musste, anstatt ihr eigenes Leben zu leben und vor allem zu bewahren. So beschloss ihre Vernunft ihr studentisches Leben auf normale Weise fortzusetzen und sie verabredete sich mit ihrer besten Freundin im Irish Pub. Das dies im besten Falle höchstens als Ablenkung dienen würde, war ihr im Unterbewusstsein klar. Ihrem Verstand war auch klar, dass ihr Verhalten übertrieben und schon beinahe lächerlich war. Doch ein dritter Teil von ihr, der sie oft lenkte und beherrschte – ihr Herz- war schon lange wieder, oder noch immer, im Park und wartete voller Sehnsucht auf jemanden. Denn ihr Herz würde nie so schnell aufgeben, es würde sie erst alle Optionen ausprobieren lasse und schließlich die Qualen und sich selbst zum Ende bringen.

Der Abend im Pub war schön gewesen. Es war eine der Lieblingsbars von ihrer Freundin und ihr. Es kam fast immer Live-Musik von kleinen Lokalbands und die Leute dort waren meist interessant und tanzfreudig. Die beiden hatten viele Bekannte dort, so wanderten sie von Tisch zu Tisch um schließlich auf der freien Fläche vor der improvisierten Bühne zu landen, wo bereits Andere von den Rhythmen der Ska-Band angetrieben wurden. Es war wunderbar, obwohl es sich um ein Pub handelte, kam oft bei Live-Musik eine Menge, durch gutes Irisches Bier angeheizt, zum Tanzen zusammen.
Erschöpft verließen beide um zwei Uhr nachts das Lokal. Sie standen in der frischen Nachtluft, ein starker Wind umfegte sie und lies sie wie Strohhalme wirken. Der Himmel war beinahe schwarz, nur ein bleicher Halbmond leuchtete in einer Ecke über den alten, imposanten Häusern der Stadtmitte. Beide Freundinnen standen mit zurückgelegtem Kopf da und starrten in den Himmel. Der wirkte so unendlich weit, lange tiefdunkelblaue Wolken zogen rasch von der Kraft des Windes getrieben vorbei. Es lies einen winzig und unwichtig erscheinen. Dort oben war ein Spiel im Gange, was wir Menschen nur mit staunendem Auge von weit entfernt betrachten können. Ihre Emotionen drängten sich an die Oberfläche und plötzlich brach alles aus ihr heraus. Sie erzählte ihrer Freundin von der Unbekannten, von ihren Hoffnungen und Ängsten. Als sie fertig erzählt hatte, waren sie bei der WG ihrer Freundin angekommen, wo diese dann meinte, darauf müsse eine Weinflasche geöffnet werden. Sie sah das wissende, und vor allem freudige Lächeln ihrer Freundin und aufeinmal wusste sie, wie sehr sie überreagiert hatte. Es war seit Sonntag kaum Zeit vergangen, was erwartete sie? Sie sollte dieses Treffen als einen wunderbaren Moment bewahren und mit der Zeit würde sich heraustellen, wozu der Lauf der Dinge führen würde.

Ein Schwall von plötzlicher Bewegung schreckte sie auf. So war ihre Vorlesung vorbeigegangen, es war ihr gar nicht bewusst gewesen, dass sie mindestens eine halbe Stunde in Gedanken versunken gewesen war. Doch das machte gar nichts, denn nun würde sie sich auf den Weg nach Hause begeben um mit Rhea auf einen langen Spaziergang zu gehen. Zwar war der Tag grau und regnerisch, doch das machte nichts, denn es war Frühling, dass wusste sie, nein sie spürte es.



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