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Yamamoto

von einsbiszehn


Julia kratzte sich am Kopf.
„Sieht nicht gut aus, hm?“
Ich musste ihr recht geben, Yamamoto machte keine gute Figur. Vielleicht lag esan seinem Zustand: Yamamoto war nämlich tot.
„Emma wird mich umbringen“, seufzte sie.
„Wegen eines Goldfisches?“
„Wegen eines Kois. Weißt Du was so ein Tier kostet?
Außerdem schmuggelte sie ihndamals eigenhändig durch die Tokyoter Zollkontrolle – in einer Chipstüte...‚tuna taste.‘“
Ich warf einen Blick auf Yamamotos ehemaliges Zuhause.
„Wir könnten ja behaupten, dass sich hier ein hungriger Fischreiherherumrumtrieb.“
„Unwahrscheinlich. Kein Vogel käme durch dieses Netz.“
„Wie wär’s mit Schlaganfall? Du weißt schon: klassisches Überzüchtungsdilemmaund so.“
Julia verzog das Gesicht und blickte auf ihre Armbanduhr.
„Emma wird in wenigen Stunden landen. Wir müssen uns also beeilen.“
„Und wenn Du ihr einfach sagst was passiert ist?“
„Dass mir ihr 4000-Euro-Laptop in den Teich plumpste und Gelbflosse grillte? Ichglaube ehrlich gesagt nicht, dass das eine besonders gute Idee ist.“
„Hm... Gibt’s in eurem Haushalt sowas wie Eimer und Köcher?“


II

Eine knappe Stunde später half ich Julia über die Mauer des ZoologischenInstituts.
„Wenn die uns erwischen sind wir dran, das weißt Du hoffentlich?“
Wir brauchten eine Weile bis wir den kleinen See erreichten.
„Sicher, dass es hier Kois gibt?“
„Keine Ahnung. Nachschauen kostet nix, oder?“
Während ich rauchend Schmiere stand, schritt Julia mit Eimer und Schöpfkellebewaffnet das Ufer ab.
„Ich glaube nicht, dass hier irgendwas Interessantes drin ist“, brüllte sie.
Mit wenigen Schritten eilte ich zu ihr.
„Noch etwas lauter und wir haben die ganze verdammte Uni auf dem Hals! ... Wasist denn mit dem da?“
„Das ist ein Wels, Süße.... Da fällt mir gerade `was ein... Komm‘ mit!“


III

„Das da, meine Liebe, ist die Lösung!“
Irritiert starrte ich auf Julias triumphierend ausgestreckten Zeigefinger. Mirwar nicht ganz klar, was sie in der Walmart-Gemüseabteilung eigentlich wollte.
„Hör‘ mal, wenn Du Hunger hast ist das jetzt vielleicht nicht der richtigeZeitpunkt, um...“
„Karotten!“, unterbrach sie mich.
„Ja und?“
„Karotten sind orange, schwimmen und lassen sich ... na ja... klassebearbeiten!“
Ich brauchte eine Weile bis ich begriff.
„Verstehe ich recht: Du willst aus dem Zeug einen Fisch schnitzen? Sag‘ mal, fürwie bescheuert hältst Du Emma eigentlich?“
Eine ältere Frau drehte sich missmutig zu uns um.
„Hat Mylady einen besseren Vorschlag?“
„Allerdings!“


IV

Der hagere Mitarbeiter hinter dem Informationsschalter musterte unsinteressiert. Dann führte er uns an zahlreichen Gängen vorbei zum Bastelbedarffür Heimwerker.
„Calcium-Sulfat, Speckstein, Silikon – ideales... ‚Fischmaterial‘. Und wenn dasTierchen auch noch schwimmen soll“, fügte er mit einem kaum unterdrücktenKichern hinzu, „finden Sie in unserer Elektro-Abteilung bestimmt einen passendenMotor.“
Kopfschüttelnd entfernte er sich.
„Musstest Du diesem Idioten unbedingt die ganze Geschichte erzählen? Hier kannich mich nie wieder blicken lassen.“
Julia zuckte die Achseln und griff zur erstbesten Packung.„Polyamid-II-Verbindun g... bla bla bla... Glas, Holz, Metall... bla bla bla...
Härtezeit: 8-12 Stunden... 8-12 Stunden! Wer zum Geier hat denn heute nochsoviel Zeit? Wir jedenfalls nicht!“
„Und jetzt?“
„Jetzt wird’s, glaub‘ ich, langsam eng.“


V

WILHELM P. KREISLER, TIERPRÄPARATOR war auf dem angelaufenen Messingschild nebender Haustür zu lesen.
„Na... ich weiß nicht so recht. Diese Typen haben doch alle `was an derKlatsche, oder?“
„Egal - eine Chance ist eine Chance!“
Julia drückte energisch auf den Klingelknopf. Wir hörten jemanden hustendnäherkommen. Ein älterer, bebrillter Mann öffnete die Tür.„Sie wünschen?“
Julia gab mir einen leichten Rippenstoß.
„Guten Tag... äh... stopfen Sie auch Fische aus?“
Wilhelm P. blickte mich ausdruckslos an.
„Ich ‚stopfe‘ nicht ‚aus‘, wie Sie das nennen - ich präpariere und konserviere.“
„Gut: Präparieren und konservieren Sie auch Fische?“
„Den einen oder anderen Quastenflosser durfte ich schon präparieren...faszinierende Tiere, lebende Fossilien wie Sie vielleicht wissen...“
„Und Kois?“
„Sie meinen diese degenerierten japanischen Zierkarpfen? Uninteressant. Zuweiches Gewebe... oft verfettet, was die Schnittfolge erhöht und die Entnahmevon Organen erschwert.“
Ein kleiner Seitenblick auf Julia verriet mir, dass sie nur ungern mehr überdieses Thema erfahren wollte.
„Tja, schade, da kann man wohl nix machen. Einen schönen Tag noch!“


VI

Während ich meinen PC hochfuhr setzte Julia Teewasser auf.
„Ich glaub‘ nicht, dass die sowas anbieten.“
„Wir werden‘s gleich erfahren.“
Ich tippte „Koi“ in das ebay-Suchfeld ein und hatte wenige Sekunden später 756Treffer.
„Koi-Klappbecken... Koi-Farbintensivierungsfutter. .. Koi-Plüschkarpfen...Koi-Kondom e? Mannomann hier findet man alles außer einen echten Fisch... Ichglaube das war’s. Mir fällt jetzt wirklich nichts mehr ein.“
Julia holte tief Luft.
„Okay, dann lass’ uns Emma abholen.“


VII

Ich entdeckte Emma sofort. Energisch schob sie einen mit zwei großen Koffernbeladenen Trolley vor sich her. Als sie uns hinter der Absperrung entdeckte,winkte sie uns aufgeregt zu.
„Hallo, Kinder! Schön, dass ihr mich abholen kommt.“
Julias stürmische Umarmung wehrte sie abrupt ab.
„Später, Süße, später.“
Sie blickte sich kurz um.
„Könnten wir vielleicht einen Zahn zulegen?“

Als ich auf den Autobahnzubringer fuhr rutschte Julia auf der Rückbank näher anEmma heran.
„Du siehst erholt aus, mein Herz. Wie war Sri Lanka?“
„Schön.“
Vorsichtig machte sich Emma an ihrer Jacke zu schaffen. Julia knetete nervösihre Hände.
„Hör‘ mal, Liebling, ich sag’s Dir lieber gleich... mir ist da was Dummespassiert... ich hab‘... natürlich ganz aus Versehen... na ja... alles ging soschnell und-“Julia stieß einen spitzen Schrei aus.
„Was ist das denn?“
„Sheena. Ein Tamilenäffchen. Süß, oder? Sechs Monate alt. Ein Männchen -schlimm?“
Julia war sprachlos.
„Von denen gibt’s angeblich nur noch dreihundert auf der ganzen Insel - und ichhab‘ eines davon! Cool, oder?“
„Bist Du noch ganz bei Trost? Für so eine... Aktion kann man im Knast landen!“
„Nicht wenn man’s geschickt anstellt. Stimmt’s Sheena-Baby? Gib Mummy einKüsschen.“
„Du hast schon genug Exotisches angeschleppt. Yamamoto-“
„Vergiss den blöden Fisch! Mit kleinen Äffchen hat man doch viel mehr Spaß!“
„Halt‘ sofort an, Eva!“
Ich fuhr auf den Standstreifen wo ich den Wagen zum Stehen brachte. Julia sprangaus der Tür.
„Was ist denn mit der los?“
„Ich glaube Du fährst am besten selbst weiter, Emma.“
Ich stieg aus und folgte Julia.

Die beiden sprechen bis heute kein Wort mehr miteinander.



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comments


Intelligent, humorvoll...
lovekeks - 09.09.2006 23:30
super geschrieben!
ich kann mich eigentlich nur den anderen anschließen! du schreibst einfach wahnsinnig gut! echt schön!
mehr davon bitte :-)
jo1988 - 03.09.2006 15:22
Oh ja!
Eiraith - 01.09.2006 23:22
herrlich
wallsagainst - 31.08.2006 20:44
Köstlich.....
jturtle - 31.08.2006 16:01

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