von Superbanshee
Und dann lieg ich dir wieder in den Armen, und es ist, als wären nur ein paar Minuten vergangen, seit ich dich zuletzt gehalten habe.
Wenn wir uns nicht sehen, dann schreiben wir. Tausende Wörter tippen wir und lassen sie hunderte Kilometer durch Deutschland fließen. Wir streiten, lachen, lieben in kleinen Paketen, die durch Telefonleitungen geschickt werden.
Ob das nicht seltsam ist?
Es fühlt sich nicht so an.
2076. So viele Fotos haben wir uns in einem Jahr und zwei Monaten geschickt, naja, einige mehr, die ich gelöscht habe, als mein Handy der Datenflut noch nicht standgehalten hat. Ich halte ihr stand. Auf den Fotos sind wir zu sehen, hunderte von Selbstportraits. Und unser Essen. Wo wir grade sitzen. Was wir gekauft haben. Alles.
Wenn du nicht sehen kannst was ich gerade mache, muss ich dich eben durch meine Augen sehen lassen.
Ist das übertrieben?
Es fühlt sich eher untertrieben an.
Und dann ist er endlich wieder da. Dieser eine Eintrag in unserem gemeinsamen Kalender, der Eintrag, der unser nächstes Treffen anzeigt. Die Stunden und Minuten fliegen und endlichendlichendlich sitzt einer von uns im Zug, vielleicht auch beide. Dann sitz ich da und warte, schaue aus dem Fenster.
Weißt du noch wie wir uns das erste Mal gesehen haben? Da war mir schlecht vor Aufregung, und als ich dich am Bahnhof entdeckt habe, dachte ich, ich würde gleich umkippen.
Heute vertreibe ich mir die Zeit mit Lesen oder Musik hören. Nur kurz vorher klopft mein Herz wieder schnell wie beim ersten Mal und vom schnellen Atmen kribbeln mir die Fingerspitzen und die Nase.
Wenn ich dich dann sehe, möchte ich in die Luft springen und auf dich zu laufen und dann schließe ich die Arme um dich, spüre deinen warmen weichen Körper endlich wieder in meinen Armen und möchte nie wieder loslassen. Vielleicht gibt es einen Kuss, wenn nicht zu viele Leute gucken.
Und dann fühl ich mich wie eine Mischung aus erstem Date und zuhause angekommen sein. Wie das fehlende Puzzleteil endlich wieder gefunden haben und meine Mundwinkel schmerzen, weil ich dann nur noch grinsen kann und dich noch einmal in den Arm nehmen muss.
Wenn wir dann endlich wieder reden – vielleicht war es eine Woche, seit das Tüdeln des Skype-Wähltons unser letztes Gespräch vorhergesagt hat; ein Monat, seit wir unsere Stimmen nicht durch Leitungen schleusen, sondern rein und unverfälscht hören konnten – ist es, als hättest du mir gerade eben Tschüsstschüss gesagt oder mir von deinem Kino-Besuch gestern abend von Angesicht zu Angesicht erzählt. Ich kann nach Tagen ohne deine Stimme zu hören mit dir weiter reden, als hätten wir nie damit aufgehört. Es fühlt sich auch nicht so an als würden wir das je. Deine Stimme hat sich in meinem Kopf eingenistet, ganz nahe bei meinen Augen, und da liest sie mir alles vor, was du mir schreibst.
Und der Zug fährt ein, am Fenster gepresst seh ich den Bahnhof näher kommen, „juhuuuuu!!!!“ schreibe ich dir. Ich atme und es kribbelt und ich grinse und die Leute starren und ich mache die Tür auf und stehe am Bahnsteig, ich geh nach vorne und ich seh dich nicht, aber ich grinse weil ich weiß dass du da bist, nur Meter von mir entfernt, keine 300 000, und dann bist du ganz nah plötzlich und fragst wo ich denn hinschaue und ich lache und du liegst in meinen Armen, du duftest so gut, so gut, und ich will dich küssen und wir reden und reden und alles ist wie immer, nur ein kleines Stück perfekter und das Glück liegt pur und klar auf meiner Haut und glitzert, wenn du mich ansiehst.
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