von Zephira
Als die Abenddämmerung den Tag erlöste und die Nacht, mit ihrem süßem Gesang,aus ihren Schlaf erweckte, begann die Mondgöttin Selene jeden einzelnen Stern zuküssen, damit ihre Strahlen bis in die Unendlichkeit leuchten.
Langsam wanderte sie durch die Milchstraße zu Kassiopeia hinüber, um ihnen das hellste Licht zu entlocken.
Da sah sie die Zeit, die sich ganz eng zusammen gekauert dort versteckte und inGedanken versunken war.
Als die Zeit die Mondgöttin erblickte, lächelte sie bittersüß.
"Ich habe auf dich gewartet", flüsterte sie in die Dunkelheit.
"Was bedrückt dich, kleine Freundin?" fragte Selene sanft."Ach", seufzte die Zeit, "ich beobachte die Menschen, seit sie die Erdenkugelbewohnen und eine Sache kann ich einfach nicht begreifen."Die Mondgöttin nahm die Zeit an der Hand und zog sie in sein wärmendes Licht.
"Weißt du", flüsterte sie, "sie sind so rätselhaft.
Einerseits bekämpfen sie sich seit Jahrtausenden, verletzen sich auf jedeerdenkliche Weise und töten sich sogar. Dann wiederum bilden sie Gemeinschaften,beschützen sich, tragen Verantwortung füreinander und tun alles, um zusammen einerfülltes Leben zu haben.
Nachts schleichen sie Hand in Hand durch die Dunkelheit, um dir und den Sternenhinterher zu träumen.
Dann sind sie so zärtlich zu einander, als ob der jeweils Andere zerbrechenkönnte und sie erzählen sich wundersame Geschichten.
Sie versprechen sich so wunderbare Dinge, die oft wieder gebrochen werden undtrotzdem werden sie nie müde, immer wieder jemanden zu suchen, mit denen siediese Momente teilen können.
Sag mir, liebe Mondgöttin, was ist das für ein Phänomen und kennst du es?"
Die Mondgöttin hörte der Zeit gespannt zu und nahm sie in den Arm.
"Dieses Phänomen nennt man Liebe", antwortete sie ihr leise.
Dann seufzte sie kaum hörbar. "Auch ich kenne sie.""Was ist die Liebe? Wie fühlt es sich an? Erzählst du mir von ihr?", fragte dieZeit mit einem zarten Wispern und Selene lächelte sie an.Sie kuschelte sich in die Arme der Mondgöttin und begann ihren Worten zulauschen.
"Die Liebe... Es gibt kaum Worte um sie zu beschreiben. Man muss sie im Herzenfühlen.
Sie ist nicht von Anfang da, sondern wächst und man muss sie pflegen, wie einezarte Blume, sonst kann sie im Keim erstickt werden. Sie kann wundervoll sein,aber auch schmerzhaft. Doch ich habe nie einen süßeren Schmerz erlebt und ohnedie Liebe ist ein Leben kein Leben, denn durch die Liebe gewinnt das Leben ersteinen Sinn.“
„Wie hast du sie gefunden?“ fragte die Zeit verwundert.„Nicht ich fand sie, sondern die Liebe fand mich“, lächelte Selene vor sich hin.
„Als es die Erde noch nicht gab und ich noch keinen Sinn für meine Existenzfand, wanderte ich Lichtjahre durch die Unendlichkeit.
Trostlos war mein Dasein, bis ich die Sonne traf.Sie verzauberte mich mit einem einzigen warmen Strahl von ihr und ihr Lächelnwar so wunderschön.
Alles vor ihr wurde mit einem Schlag unwichtig.
Jeder Gedanke, jede Sorge, jedes Gefühl zur Nichtigkeit erklärt.
Es war, als hätte ich zuvor nie gelebt und würde erst durch sie, aus dieserkalten Stille erwachen.
In diesem Augenblick, da wusste ich wofür ich lebe.
Es war Liebe auf den ersten Blick.
Bis dahin wusste ich nicht, dass ich jemals so empfinden kann. Und sie erwecktesoviel Gefühl in mir.
Jeder Moment mit ihr war reine Zauberei und sie vernichtete alle Sinnlosigkeit.
Wir waren füreinander geschaffen.
Sie, die Helligkeit, mit all ihrer Wärme, der Klarheit und dem Lachen.
Ich, die Dunkelheit, das Mystische, das Träumen und dem Schweigen.
Zusammen waren wir unzertrennlich.
So gegensätzlich und doch so ergänzend.“
Die Mondgöttin begann vor sich hin zu träumen und die Zeit konnte sich in ihrenAugen in sehen.
Es war, als blickte sie in einen Spiegel, erhellt mit dem Glanz seiner Liebe.
„Ich erinnere mich so klar an die ersten Augenblicke mit ihr.
Wir wanderten Arm in Arm von einer Galaxie zur anderen, schenkten unsSternenfunken, badeten in der Milchstraße und spielten wie kleine Kinder inKometenhaufen.
Und die Venus erstarrte vor Neid, denn unsere Zuneigung übertraf alles, was dieGöttin der Liebe je erschaffen könnte.
Diese Erinnerungen haben sich auf den Grund meiner Seele gelegt und wenn ichmeinen letzten Atemzug aushauchen werde, so sind diese Momente der ganze Sinnmeines Lebens.
Ohne die Liebe, wäre das Leben einsam und leer.“
Selene lächelte wieder verschwiegen und sonnte sich in diesem lieblichen Gefühl,das seine Erinnerungen hervorrief.
Was passierte dann?“ fragte die Zeit aufgeregt.
„Und dann..."
Die Mondgöttin verstummte und eine silberne Träne sog sich voll mit ihrerTraurigkeit.
Die Zeit streichelte der Mondgöttin über ihre Wangen und fing diese Träne mitihren Lippen, um diese Traurigkeit zu kosten, denn auch dieses Gefühl war ihrfremd und dieses Empfindung stach ihr tief ins Herz.
"Und dann wünschte sie sich ein Kind unserer Liebe und die Erde wurde geboren.
Sie verlangte soviel. Stellte sich zwischen uns.
Forderte und wollte umsorgt werden. Ein kleines Kind, das um Zuwendung schrie.
Und auch die Erde gebar Leben. Leben in so vielen Formen, die um Aufmerksamkeitschrieen und umsorgt werden wollten.
Die nicht leben konnten, ohne die Wärme der Sonne.
Die nicht ruhen konnten, ohne den Schutz der Mondgöttin.
Sie erweckt jeden Morgen das Leben und ich bewache es jede Nacht, wenn allesschläft.
So haben wir beide eine Pflicht zu erfüllen, die uns von einander trennt.
Denn wie soll das Leben erwachen, ohne ihre warmen Strahlen?
Und wie soll es ruhen, ohne meine Wacht?“
Die Zeit nickte langsam der Mondgöttin zu und versuchte zu verstehen.
„Aber warum gibt es keinen anderen Weg? Ist es denn nicht grausam zwei Liebendezu trennen?
Und welchen Sinn ergibt das?“ fragte die Zeit gequält.
Denn zum ersten Mal konnte sie den Schmerz fühlen und sie begann zu weinen.
Selene wiegte sie sanft in ihren schützenden Armen, bis sie sich beruhigt hatte.
„Es gibt nun mal keine andere Möglichkeit, um all diese Leben zu ermöglichen.
Aber, wenn die Sehnsucht zu unerträglich wird, schicken wir uns zarteLiebkosungen.
Sie reiten auf Sternschnuppen durchs All, trösten uns in unserer Einsamkeit undhauchen die liebevollsten Worte in unsere Seelen. Die Menschen, die sieentdecken Wünschen sich dann etwas, in der Hoffnung, dass diese in Erfüllunggehen. Es ist ein schöner Glauben, der ihnen den Mut zum Träumen gibt.
In meinen Träumen sehe ich meine Liebste wieder und es gibt mir die Kraft aufden kurzen Augenblick unserer Zusammenkunft zu warten.Und wenn wir uns dann sehen, alle Jahre für einen kurzen Moment, zu einerSonnenfinsternis, dann zaubert sie mit ihrer Wärme alle Traurigkeit in mir fortund ihr Lächeln lässt mich Kraft sammeln.
Und Sie kann einen Moment in meinen Armen ruhen und unsere Pflichten sind füreine Weile vergessen.
Es gibt in diesen Augenblick nur uns beide. Dann fühlen wir, in unserer Näheversunken und unsere Küsse schmeckend, das, was uns immer an einander bindet:unsere ewige Liebe.“
„Nur einmal in so langer Zeit“, wisperte die Zeit leise trauernd.
„Aber Ich bin doch die Zeit, kann ich denn nichts tun?“ Die Mondgöttin schüttelte langsam ihren Kopf.
„Dann möchte ich niemals Lieben. Wenn sie so schmerzhaft ist. Oder sowechselhaft, wie bei den Menschen. Für einen einzigen Augenblick sein Herz zuverlieren und zu wissen, dass es sinnlos ist.“
Die Zeit kuschelte sich erschöpft an ihre dunkle Freundin und schloss kurz ihreAugen.
Selene antwortete nicht mehr, denn sie wusste, dass seine kleine Freundin nunRuhe brauchte und begann sie wieder sanft zu wiegen, damit auch sie sich füreinen Moment erholen kann.
Mit einem sehnsüchtigen Blick betrachtete sie die Morgendämmerung und schicktedurch eine Sternenschnuppe einen lieben Guten Morgen Gruß an ihre Sonne.
Bevor auch sie die Augen schloss, flüsterte er leise zu sich selbst:
„Und jetzt sind wir, wie die Menschen zu sagen pflegen:Jeder sehnt sich nach dem andern – jeder ist allein…wie Sonne und Mond. So wie Sonne und Mond!“
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