Was aus Smalltalk alles werden kann (11)

von Mellimi


"Sarah, bitte!" Wieder tropfen Tränen auf den Boden.
Als ich knapp hinter ihr bin, bleibt sie abrupt stehen und dreht sich um, so dass wir uns – mal wieder – gegenüber stehen. Nur bin ich dieses Mal nicht die einzige, die Tränen in den Augen hat.
Sie macht wieder einen Schritt auf mich zu, noch einen. Jetzt sind wir uns ganz nahe, und ich weiche ihr nicht aus. Tränen laufen ihr die Wangen hinunter. Meine Hand macht sich selbständig und streicht ihr die Tropfen aus dem Gesicht. Kurz darauf folgt die andere Hand und tut es der ersten gleich.
Da breitet sich völlig unerwartet ein Lächeln auf Sarah’s Gesicht aus. In ihren Augen spiegelt sich das Mondlicht wieder. Jetzt weiß ich, woher dieses sonderbare Glänzen kommt. Ich weiß, dass sie glücklich ist. Ich spüre, dass auch sie Gefühle für mich hat. Ich weiß, dass wir wirklich zueinander gehören. Ich hatte Recht ! Ich wusste gleich, dass es so ist !
Wie in Zeitlupe bewegen sich unsere Gesichter aufeinander zu, treffen sich in der Mitte in einem atemberaubenden Berührpunkt. Ich schließe meine Augen, um momentan unbrauchbare Sinne auszuschalten. Ich spüre, wie sich ihre beiden Hände unter meinen Armen hindurchschieben und meinen Rücken streicheln. Da hab ich wohl die richtige Wahl mit der Bluse getroffen.
Ihre Lippen liegen immer noch auf meinen, unsere Körper eng aneinandergeschmiegt. Ich genieße den Augenblick so wie er ist. Wunderschön.
Langsam öffne ich ein wenig meinen Mund, umschließe damit erst nur zärtlich ihre Oberlippe. Daraufhin schiebt sich ihre Zunge vorsichtig in meinen Mund. Prickelnd, das ist das richtige Wort für dieses Gefühl. Eine ganze Weile bleiben wir so eng umschlungen stehen, vergessen völlig die Welt um uns herum. Sind nur ganz bei uns selbst. In uns selbst.
Doch auch dieser Moment findet irgendwann sein Ende. Und so lösen wir uns wieder teilweise voneinander und Sarah findet ihre Sprache wieder, um mir zu bestätigen, was mir durch ihr Verhalten sowieso schon klar geworden ist. "Du hast mich völlig überwältigt. Ich hab‘ nicht erwartet, dass es dir genauso geht, wie mir. Wir haben uns die ganze Zeit benommen, wie kleine Kinder. Haben unsere Gefühle nicht erkannt. Aber vor ein paar Wochen ist mir doch klar geworden, dass ich dich über alles liebe."
Es heißt ja, Gleichberechtigung für alle und so endet auch diese Liebeserklärung in einem langen Kuss, von denen ich ab jetzt nicht mehr genug bekommen kann. Sie ist einfach umwerfend, meine Sarah, mein Goldschatz.
Ich lächle sie verträumt an und sie schaut genauso verträumt zurück.
Das ist genau das, was ich will. Was wir beide wollen. Wir beide, zusammen.
Zusammen ? Sind wir jetzt zusammen ? Diese Frage stell ich auch laut, aber statt einer Antwort erwartet mich nur ein zartes Lippenbekenntnis. "Aha, also ja!" stelle ich sachlich, aber doch mit einem versteckten Grinsen fest. "Machen wir das jetzt immer so ?" Um mich zu necken, zögert sie etwas und tut, als ob sie überlegt, doch ich durchschaue ihr kleines Spielchen und drücke ihr kichernd ein Küsschen auf die Backe.
Kurz darauf löst sie sich aus meiner Umarmung, zieht ihre Schuhe aus und läuft mit wallenden Haaren durch das feuchte Gras. Im Laufen dreht sie sich um, streckt mir die Hand entgegen und ruft mir zu "Na komm, Süße". Na dann mal los. Erst noch Schuhe ausziehen. Die sind jetzt nur lästig und dann ab, ihr hinterher.
Ich renne ihr nach, hole sie schließlich am Ufer des Sees ein und umschließe sie mit beiden Armen. Glücklich drehen wir uns im Kreis. Als uns beiden schwindelig wird, lassen wir uns ins Gras fallen und liegen nebeneinander, jede auf dem Rücken. Der Himmel ist heute wolkenlos und so haben wir freien Blick auf die Sterne, die mich gerade aber kein bisschen interessieren.
Mit einem verschmitzten Lächeln drehe ich mich zur Seite, so dass ich sie besser im Blickfeld hab. "Hast du eigentlich immer noch vor, die Nacht bei der Laura zu verbringen ?"