von bloodynatou
„Bitte was war? Ich war grad nicht so ganz dabei.“
Tina wollte gerade zum Sprechen ansetzen, als sie von Stoffel unterbrochen wurde.
„Wisst ihr, was mir gerade wieder einfällt? Ich glaube, es war vorgestern. Da standen Alain und Henry hinten auf der großen Wiese und quatschten. Und als Verena dann nach Alain rief, nahm er Henry noch einmal kurz bei der Hand und zwinkerte ihm zu. Also, wenn das nicht eindeutig war, dann weiß ich auch nicht.“
Sie hatte es nicht erzählen wollen, doch in dieser Situation blieb ihr nicht viel übrig. Sie mochte Emilie und wollte nicht, dass sie jetzt in eine solch dumme Situation gebracht wurde. Da waren ihr die zwei Jungs egal.
Natürlich bissen die Anderen direkt an. Stoffl musste jedes kleinste Detail erzählen. Und plötzlich hatte jeder irgendeine Kleinigkeit gesehen, was jedoch wahr war und was nicht, das konnte keiner mehr sagen bei all diesen Dingen. Das machte den Mädchen aber auch nichts, Hauptsache lästern.
Emilie sah Mary hilfesuchend an. Sie war dank Stoffel im letzten Moment noch vor dieser Diskussion bewahrt worden, aber sie wusste, dass sie nicht locker lassen würden. Schon bald käm wieder eine solche Frage und dann gäb es vielleicht keine Stoffel mehr, die ihr half.
Aber Mary konnte ihr auch nicht helfen. Sie legte einen Arm um Emilies Schulter und versuchte sie durch ein freundliches Lächeln zumindest ein wenig aufzubauen. Richtig gelingen wollte es ihr aber nicht.
Glücklicherweise kam kurz darauf Sven ins Zelt und bat alle an den Mittagstisch. Über das ganze Essen hinweg sprach Emilie kein Wort. Sie starrte einfach auf ihren Teller und schaufelte sich alles langsam in den Mund.
Mary gefiel das ganz und gar nicht, aber was sollte sie auch machen. Sie wusste, dass Emilie nicht so leicht aufzumuntern war, das hatte sie schon zu oft versucht, besonders in der letzten Zeit.
Warum musste das denn auch gerade jetzt zum Thema gebracht werden. Die Leiter hätten doch wissen müssen, was das Endresultat daraus sein würde. Jugendliche und Diskriminierung, das waren zwei Wörter, die man auch hätte zusammensetzen können. Aber die Erwachsenen waren auch nicht besser.
Sie würde wohl einfach weiterhin ihr Bestes geben um Emilie abzulenken und betete insgeheim dafür, dass sie und Kerstin eine zweite Chance bekamen. Es wäre zu schade gewesen, Emilie nur für eine solch kurze Zeit glücklich gesehen zu haben.
„Woran denkst du gerade?“
Emilie hatte zum ersten Mal von ihrem Teller aufgeschaut und blickte Mary jetzt direkt in die Augen.
„Nichts nichts, schon ok.“
Emilie schaute sie prüfend an, doch Mary ließ sich nichts anmerken. Zu ihrem Glück, am Essenstisch wollte sie das Thema nun wirklich nicht diskutieren. Sie musste sich irgendetwas einfallen lassen. Doch viel Zeit hatte sie nicht mehr, schon übermorgen würde das Lager zu Ende gehen; und was dann?
„So Leute, diesen Nachmittag machen wir auch nichts wirklich Anstrengendes, also beklagt euch nicht. Ich werde euch gleich alles genauer erklären. Geht alle runter zur großen Wiese, sobald die anderen mit spülen fertig sind, können wir anfangen.“
Lars wartete bis der Großteil draußen war und ging dann Richtung Leiterzelt um alles Notwendige zu holen.
Alle hatten es sich schon auf dem Rasen gemütlich gemacht. Sie lagen da, quatschten, sonnten sich, machten Unsinn. Erst als auch der Letzte vom Spüldienst da war, erklärte Lars, worum es ging, während Anne bereits die Vorbereitungen traf.
„Also, ich denke, einige von euch kennen das Spiel sicher schon. Und zwar gibt es zwei Mannschaften, eine auf jeder Seite. Zwischen diesen zwei Mannschaften liegt dieses Seil dort am Boden. Am Ende eurer beiden Felder wird ein Kegel aufgestellt. Die gegnerische Mannschaft muss versuchen, diesen Kegel dort hinten wegzuholen und ihn auf die eigene Seite bringen. Jedoch muss man sofort stehen bleiben, sobald man vom gegnerischen Spielen gefangen wurde. Man darf erst wieder laufen, sobald ein Mitspieler durch die Beine gekrabbelt ist. Auf der eigenen Seite kann man natürlich nicht gefangen werden. Und man darf auch nicht ganz dicht bei den Leuten stehen bleiben, die gefangen wurden. Man muss mindestens zwei Meter Abstand halten und das nicht die ganze Zeit, ihr sollt laufen. Habt ihr das alle soweit verstanden?“
„Was ist denn, wenn der mit dem Kegel gefangen wird? Darf man sich denn den Kegel wieder zurücknehmen?“
„Nein, für ihn gilt die gleiche Regel wie für alle anderen auch. Sobald jemand durch seine Beine gekrabbelt ist, darf er seinen Weg fortsetzen, bis er auf der eigenen Seite angelangt ist.“
„Und wie viele Punkte muss man haben um zu gewinnen?“
„Das sehen wir dann mal, wie lang ihr braucht. Sonst noch Fragen?“
Als keiner etwas erwiderte, wählte er zwei aus, die die Mannschaften wählen sollten.
Es war ein heilloses Durcheinander und die Lautstärke war kaum zu toppen, doch man sah, wie viel Spaß es ihnen machte. Die Leiter hätten nicht gedacht, dass sie sich so verausgaben würden bei diesem Spiel. Sie hatten es schon öfters auf Lager gespielt, aber selten war solch ein Enthusiasmus dabei.
Es machte ihnen Freude, den anderen dabei zuzusehen und nach kurzer Zeit hielt es sie nicht mehr auf ihrer Außenposition und sie verteilten sich auf die beiden Mannschaften, damit sie hautnah dabei waren. Eine der beiden Mannschaften schien beinahe immer zu gewinnen, so mussten mittendrin die Mannschaft ein wenig verändert werden. Danach wurde es noch interessanter, denn jetzt waren die Mannschaften beinahe gleichstark und es wurde immer schwieriger, den Kegel an sich zu reißen.
Als Lars auf seine Uhr schaute, wäre er beinahe vor Schreck umgekippt. Sie hatten tatsächlich schon seit über zwei Stunden nur dieses Spiel gespielt. Wie konnten diese Kids nur solch eine Ausdauer haben? Doch so viel Spaß sie auch hatten, noch länger hätten sie wirklich nicht verantworten können bei einer solchen Hitze. Deshalb rief er sofort alle zusammen und beorderte sie ins Esszelt, wo sie alle direkt zu trinken bekamen.
Sie sackten alle auf den Bänken zusammen und keuchten schwer.
„Und das sollte nicht anstrengend sein?“
Mary konnte kaum sprechen, so schnappte sie nach Luft. Schon während des Spiels hatte sie Probleme, doch sie hatte einfach nicht aufhören wollen. Das hatte sie jetzt davon. Selbst Schuld.
„Na, wir hatten auch nicht gedacht, dass ihr bei dem Spiel so abgehen würdet. Für gewöhnlich stehen die meisten nur dumm rum und lassen die anderen arbeiten.“
Anne selbst hatte noch Mühe, ihr Herzrasen unter Kontrolle zu bekommen. Sie hatte sich schon lange nicht mehr so verausgabt.
„Da seht ihr mal, wie sportlich wir sind. Von wegen, die Jugend heutzutage ist viel zu faul.“
„Leute, ich muss euch wirklich ein Lob aussprechen.“
Olli hatte sich von seinem Platz erhoben und blickte nun in all die hochroten Gesichter.
„Ich glaube, noch nie hat man mich so zum Laufen bekommen wie heute. Und dabei habe ich es auch noch gerne gemacht, was schon beinahe an ein Wunder grenzt. Dass ihr solch eine Kondition habt, hätte ich niemals gedacht. Ehrlich toll. Jetzt hoff ich nur noch, dass es euch genauso viel Spaß gemacht hat wie mir.“
Von allen Seiten bekam er dies bestätigt. Einige schlugen eine Revanche vor und Olli willigte ein, insofern sich dies mit dem Zeitplan vereinbaren ließ.
„Dann schlage ich vor, dass ihr euch jetzt alle ein wenig frisch machen geht und ich versuche indes Verena und die anderen davon zu überzeugen, den Grill heute ein wenig früher anzuschmeißen.“
Lautstarke Freude, als das Wort Grill fiel. Sie waren wirklich schnell zufrieden zu stellen, was das Essen anging.
„Und zum Abschluss des Tages spielen wir noch die versprochene zweite Runde Flaschendrehen. Na, was sagt ihr dazu?“
Natürlich waren alle hellauf begeistert von der Idee. Schon seit Tagen warteten sie darauf, denn jetzt hatte man natürlich noch mehr Fragen als am Anfang des Lagers, wenn man kaum jemanden kannte.
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