von cappuccino007
Roof Stories - Story 5
Saphirblaue Tiefen
Into The Deep Blue
„So hat jeder von euch ein Ticket? Dann auf zu den Umkleiden!“, sagte Rosalie gut gelaunt und die Gruppe setzte sich in Bewegung. Anstatt sich wie üblich am Donnerstag im LLoft zu treffen, hatte die heutige Abendleitung bestehend aus Helen und ihrer Verlobten Rosalie das diesmalige Treffen auf Freitagabend verlegt. Denn auf dem Programm stand ein gemeinsamer Ausflug ins Hallenbad, das am Wochenende sogar bis dreiundzwanzig Uhr geöffnet hatte.
Bereits auf dem Weg zu den Umkleiden erfüllte der Geruch von Chlor die Luft und im Vergleich zu draußen waren die Temperaturen hier drin fast tropisch. Hier und da föhnte sich jemand die Haare, kleine Kinder liefen mit bunten Schwimmflügeln aufgeregt umher oder warteten ungeduldig darauf, dass auch Mama oder Papa endlich fertig angezogen war und auch den ein oder anderen Mitarbeiter des Freizeitbades traf man auf seinem Weg an.
„Ist ziemlich voll hier!“, sagte Becky verwundert, nachdem sie endlich einen noch freien Spint für ihre Habseligkeiten gefunden hatte und ihn abschloss.
„Tja wir sind wohl nicht die Einzigen, die die Idee hatten am Freitagabend schwimmen zu gehen.“, erklärte Helen und zuckte mit den Schultern.
„Warum ist Charly heute eigentlich nicht da?“, fragte Fiona und Milli antwortete, „Die ist übers Wochenende mit ihrer Familie in den Schwarzwald gefahren um ein paar Verwandte zu besuchen. Tut ihr bestimmt gut wenn sie nach der Sache mit Verena ein bisschen Ablenkung bekommt.“
Einen freien Spint zu finden war schon schwer genug gewesen, doch mit den Umkleiden sah es noch düsterer aus. Die Meisten waren besetzt und die Übrigen abgeschlossen. Die Mädchen strömten in alle Gänge aus, doch es gab einfach nicht mehr genug freie Kabinen für sie alle.
„Und jetzt?“, fragte Becky genervt, „Ich will nicht warten bis die alle fertig sind!“
„Tja, wärt ihr mal schlau gewesen und hättet euch so wie ich schon zuhause umgezogen!“, prahlte Vanny überlegen.
„Dann teilen sich jetzt eben zwei eine Kabine!“, schlug Helen kurzerhand vor. Die Übrigen waren im ersten Moment nicht ganz einverstanden, fanden dann aber doch, dass dies die beste Lösung wäre. Hanna wandte sich an Fiona, die allerdings schneller war und fragte, „Wollen wir uns eine teilen?“
„Aber wir ziehen uns alle nur um ja! Es werden keine schnellen Nummer geschoben, das gilt vor allem für Rosalie und Helen!“, brüllte Vanny allen frech hinterher als die Zweierpärchen erneut ausschwärmten und einige der anwesenden Badegäste wandten daraufhin ein wenig perplex die Köpfe um.
Hanna und Fiona hatten die gesamte Woche über miteinander geschrieben und täglich die neuesten Bilder auf Tumblr ausgetauscht. Anfangs wusste Fiona nicht so recht, ob sie wirklich mal wieder im LLoft vorbei schauen sollte, doch als Hanna ihr von dem heutigen Abendprogramm erzählte und hinzufügte, dass auch sie kommen würde, hatte Fiona sehr schnell eine Entscheidung getroffen. Und Hanna freute es insgeheim sehr, dass sie das aufgeweckte Mädchen mit den eisblauen Augen wieder sah.
In einer Ecke fanden Hanna und Fiona endlich noch eine freie Kabine und huschten hinein. Eine korpulentere Person hätte dort drin wohl einen klaustrophobischen Anfall bekommen, so eng war es. Gerade einmal so breit, dass die zwei Mädels sich umdrehen und die Bikinis aus ihren Taschen kramen konnten. Hanna mochte Fiona wirklich gerne, doch trotzdem fand sie es ein wenig seltsam sich Rücken an Rücken mit ihr umzuziehen. Immerhin hatten die zwei sich vor gerade einmal etwa einer Woche kennengelernt und jetzt standen sie nackt in einer viel zu schmalen und stickigen Umkleidekabine. Beide Mädchen achteten penibel darauf, die andere nicht ausversehen mit einem Blick zu streifen, ehe diese sich nicht vollständig in ihren Bikini begeben hatte. Hanna wusste es nicht, doch Fionas Kopf glühte in dieser Situation genau so sehr wie ihr eigener.
Mit ihren Handtüchern und dem Duschzeug unter den Armen tappten die zwei Mädchen aus der Kabine zurück zu dem Rest der Gruppe.
„Schau Vanny, Helen und ich waren als erstes da!“, grinste Rosalie überlegen, als auch Vanny und Pia endlich eintrafen, die Hanna sofort begeistert anblickten.
„Ha! Endlich noch jemand mit Short!“ Es dauerte kurz bis Hanna begriff worüber sich die Blondine so freute, doch dann fiel ihr auf, dass diese auch eine kurze Short trug und Vanny neben ihr sogar eine noch längere. Die Anderen trugen nichts über ihrem normalen Bikinihöschen. Es war nochmal ein wenig etwas anderes die Mädchen fast komplett hüllenlos zu sehen. Milli konnte nun nicht mehr verbergen, dass sie die wohl prallste Oberweite von allen hatte. Bei Rosalie und Helen kamen erstmals Tattoos und Piercings zum Vorschein, die man vorher nie gesehen hatte. Und auch Vannys Tattoo am rechten Oberarm war nun in voller Pracht zu bewundern. Eine absolute Traumfigur hatte Becky. Ihre Brüste weder zu groß noch zu klein und eine so perfekt geformte Taille, wie sie so manches Model nicht besaß. Hanna fand sich und ihren Körper eigentlich recht attraktiv, doch als sie jetzt die Figuren der anderen Mädels begutachtete, fühlte sie sich als würde sie in einer unteren Liga spielen, aber wahrscheinlich war sie nur zu selbstkritisch. Mit Sack und Pack machten sie sich auf zu den Duschen um sich vor dem eigentlichen Badespaß noch kalt abzubrausen.
„Ich habe mir gestern extra noch die Beine rasiert!“, quasselte Becky los, als die Mädels aus der Dusche traten, „Da denkt man jetzt im Herbst ist man diese nervige Plage endlich los und dann kommt ihr auf die Idee ins Schwimmbad zu gehen!“
„Ach weißt du Becky…“, sagte Vanny die neben sie treten war und ihr mit Absicht ihren nassen Pony ins Gesicht schüttelte, „Haare an den Beinen sind doch nicht schlimm. Schlimmer wäre es, wenn man an einer andere Stelle Haare sehen würde!“
„Vanny!“, sagte Milli streng zu dieser, doch diese lachte nur, „Was denn? Es gibt durchaus manche Leute die auf den Busch stehen!“
Verschmitzt grinsend trat Becky auf Vanny zu und tätschelte ihr liebevoll die Wange, „Oh,
tut mir Leid, dass ich dich enttäuschen muss Vanny, aber ich habe gestern alle Hecken gestutzt!“
„Hey, ich hab mit manche Leute nicht mich selbst gemeint!“, entgegnete Vanny augenblicklich, doch Becky blickte sie nur gespielt verständnisvoll an, „Ja ist klar Vanny!“
Das Hallenbad war größer als es von draußen aussah. In der hinteren linken Ecke befand sich ein Becken für die Badegäste, die es ein wenig sportlicher angehen wollten. Auf der einen Seite ragte eine kleine Sprunganlage mit zwei 1-Meter Brettern und zwei 3-Meter-Brettern in die Höhe. Auf der anderen Seite waren zwei Schwimmbahnen abgetrennt, in denen ein paar Rentner gemütlich ihre Runden drehten. Im restlichen Hallenbad sah man ringsherum so viel Wasser, dass man meinen konnte sich auf einer Insellandschaft zu befinden. Tatsächlich aber gab es nur ein riesiges Nicht-Schwimmerbecken, das so aufgeteilt und verwinkelt angelegt war, dass es diesen Eindruck erweckte. Ein schöner Blickfang war eine Art Mamorinsel mitten im Wasser auf der man Brotzeit machen oder sich einfach nur in einen Liegestuhl fläzten konnte. Über eine Brücke vom Beckenrand aus gelangte man auf diese kleine Wohlfühloase. Etwas weiter rechts thronte ein großer Whirlpool über der Wasseroberfläche, der bis auf den letzten Platz belegt war. Das Highlight für alle Kinder und die, die innerlich welche geblieben waren, bildete ganz klar die riesige blau-gelbe Rutsche, die wie eine gigantische ineinander verschlungene Schlange wirkte.
Hanna fühlte sich plötzlich an den Schwimmunterricht in der fünften Klasse zurückversetzt. Als ihre klapperdürre Sportlehrerin sie gefühlt hundert Bahnen in dem eiskaltem Wasser schwimmen ließ, während sie selbst wichtigtuerisch mit ihrer Trillerpfeife am Beckenrand nebenher spazierte. Doch jetzt war kein Bahnschwimmen angesagt und die Mädchen stürmten kreischend in das warme Wasser und erklärten den Badespaß für eröffnet.
Der helle Vollmond stand am Himmel und schien auf das Stadtviertel herab. Abseits der Straße befand sich ein kleiner Park. Dort, hinter Bäumen und Büschen, saß eine Person einsam und verlassen auf der Lehne einer Parkbank. Sie kam gerne hier her, vor allem nachts. Wenn die Menschenmengen, die sich hier tagsüber tummelten verschwunden waren und nichts und niemand mehr da war, außer sie. Nach der Dachterrasse im LLoft, war das hier ihr Lieblingsort zum Nachdenken.
Sie fühlte sich wie eine einsame Wölfin, die gerade eine Auszeit von ihren Rudel genommen hatte. Gleißendes Mondlicht tauchte den gegenüberliegenden Spielplatz in ein mattes Weiß, das etwas Kaltes und Schönes zugleich hatte. Drei junge Männer näherten sich der besetzten Parkbank und drehten sich im Vorbeigehen immer wieder auffällig zu der Wölfin um. Doch diese blickte nicht zurück. Sie wusste, dass sie über sie redeten und ihr irgendwelche pubertären und billigen Anmachsprüche zu riefen, doch das interessierte sie nicht. Diese Halbstarken wussten nicht wer sie war, woher sie kam oder wohin sie ging. Sie waren keine einzigen Schritt in ihren Schuhen gegangen und wussten nichts von all den Narben, die sie unter der Haut und in ihrer Seele trug. Niemand wusste das. Sie hatte nie mit jemandem darüber reden wollen. Ihre Probleme sollten nicht die Anderer sein.
Die Anderen. Die Anderen hielten sie für das starke Mädchen, das sich von nichts und niemandem etwas sagen ließ, das vor nichts Angst hatte. Aber das war sie nicht. Tief in ihrem Inneren war sie schwach. Vielleicht weil sie in ihrer Vergangenheit so oft stark sein musste. Warum war sie noch hier? Mittlerweile konnte sie diese Stadt nicht mehr sehen. Immer dieselben alltäglichen Bilder, vertraute und verhasste Gesichter und hier und da Orte der Erinnerungen. Trug sie auch schöne Erinnerungen an diese Stadt bei sich? Kaum welche.
Sie kam aus einer kaputten Familie. Ihre Mutter, Monika Dittman liebte ihre Tochter, doch manchmal merkte diese ganz genau, dass sie kein Wunschkind gewesen war. So oft wurde sie als kleines Mädchen grundlos angeschrien und für Dinge bestraft, für die sie nichts konnte. Und so oft sah sie, wie ihre Mutter weinend am Küchentisch kauerte und die ganze Zigarettenschachtel auf rauchte.
Ungewollt wurde Monika von ihrer Jugendliebe schwanger, da war sie gerade einmal Anfang zwanzig und eigentlich hatte sie noch so viel vor. Sie wollte die Welt bereisen und dann einen bedeutungsvollen Job in der Wirtschaftsbranche ergreifen, doch der zweite blaue Strich auf dem Schwangerschaftstest ließ ihre Träume zerplatzen. Von dem Kindsvater konnte sie keine Unterstützung erwarten, denn dieser zog mit seiner Familie vollkommen überstürzt in die Staaten. Ihrer Meinung nach zog er nur mit, weil er ein elendiger Versager war, der Angst davor hatte sich seinen Pflichten als Vater zu stellen. Frau Dittmann, deren Leben in ihren Augen so viel anders hätte verlaufen sollen, war viel zu früh gealtert und verbittert geworden. Und Jess hatte stets das Gefühl, sie wäre schuld an dem Leid ihrer Mutter.
„Du hast seine Augen“, sagte diese oft zu ihrer Tochter, wenn sie über ihren Vater sprachen. Jess wusste nicht ob sie es sich einbildete, aber manchmal klang dieser Satz wie ein Vorwurf.
Anja hieß die Praktikantin, die damals in Jess‘ Kindergartengruppe tätig war und mit der wohl alles anfing. Jess hatte keine Ahnung warum, aber bei diesem hübschen Mädchen fühlte sie sich von Anfang an wohl. Sie buhlte stets um die Aufmerksamkeit der angehenden Erzieherin und für Jess waren es immer die schönsten Tage, wenn sie beim gemeinsamen Vorlesen auf Anjas Schoss sitzen durfte. Im Nachhinein war sich Jess sicher, dass Anja wohl ihre erste große Liebe war.
Als Jess in die Grundschule ging, lernte ihre Mutter den erfolgreichen und gutaussehenden Immobilienmakler Ralf Genz kennen. Es dauerte nicht lange ehe sich die beiden ineinander verliebten und heirateten. Mit ihrem Stiefvater Ralf hatte Jess sich nie gut verstanden. Für Jess war es seltsam gewesen als mit sieben Jahren zu einem ihr vollkommen fremden Mann „Papa“ sagen sollte. Zumal sie ihren biologischen Vater nie kennengelernt hatte. Trotzdem hatte sie stets versucht Ralf gegenüber offen zu sein und ihn an ihrem Leben teil haben zu lassen. Doch ihr kam es so vor, als wollte er das gar nicht. Genau so wenig wie ihre Mutter.
Vom Vater verlassen, von der Mutter nicht gewollt und vom Stiefvater nur geduldet, so sahen Jess Familienverhältnisse aus. Der Einzige, der immer für sie da war und der ihr wichtig war, war ihr Halbbruder Elias. Er kam auf die Welt, als Jess elf Jahre alt war. Sofort war er der kleine Prinz in der Familie. Doch Jess störte es nicht, dass er viel mehr bevorzugt wurde als sie. Er war ihr persönlicher Sonnenschein. Für ihn hätte sie alles getan.
Zu Zeiten der Grundschule war Jess vom Aussehen her ganz klar ein Mädchen, doch ihr Verhalten war oft burschikos. Sie war wohl das einzige Mädchen in ihrer Klasse, vor dem ihre männlichen Mitschüler Respekt hatten. Die rüpelhafte Jess war damals ganz vernarrt in die kleine Mia. Wenn diese in der Pause von den frechen Lausbuben gehänselt wurde, so zögerte Jess keine Sekunde um einzuschreiten und sie vor ihnen zu beschützen. Das ein oder andere Mal endete dies dann damit, dass Jess einen der Übeltäter verprügelte, während seine Komplizen verängstigt zur nächstbesten Lehrerin liefen und petzten. Strafaufsätze und Hausarrest von Seiten ihrer Mutter waren die Folgen von Jess Raufereien. Doch trotz der kühnen Heldentaten, die sie für Mia beging, mochte das Mädchen mit den blonden Locken ihre starke Beschützerin überhaupt nicht. Irgendwann brüllte Mia sie an und sagte Jess sollte endlich aufhören auf sie aufzupassen. Da packte Jess sie und küsste sie. Einfach so. Mia war darüber so erschrocken, dass sie ihrer Leibwächterin eine saftige Ohrfeige verpasste und diese grob zu Boden stieß.
Rosalie und Helen schwammen gleich von den jungen Hüpfern davon zum Wasser-Irrgarten. Pia pirschte sich währenddessen von hinten an Milli heran und versuchte ihren Bikini zu öffnen, doch diese reagierte sekundenschnell und griff sich an den Rücken, „Nein Pia, fang nicht wieder damit an!“
„Warum? Das ist doch lustig!“, kicherte die Blondine, die nun auch von Becky böse angeschaut wurde, „Nein, das ist nervig!“
„Was ist denn los?“, fragte Fiona, die auf dem Rücken trieb. „Pia hat immer einen Heidenspaß dabei den anderen die Hosen runterziehen oder die Bikini Oberteile aufzuknöpfen!“, erklärte Milli und Fiona stellte sich augenblicklich kerzengerade ins Wasser. Vanny entging nicht, dass sich Pia zu ihr trieben ließ, „Ich warne dich, wehe du versuchst das wieder bei mir! Erinnere dich an das letzte Mal!“
Augenblicklich verfinsterte sich Pias Miene „Die Kopfnuss hat weh getan!“
„Ich weiß und da wo die herkam, da gibt es noch mehr!“, machte Vanny gleich deutlich,
„Kommt gehen wir mal ins Außenbecken!“
Gemütlich kletterten die Mädchen aus dem Nicht-Schwimmerbecken und eilten in den Teil davon, der nach draußen führte. Zwar spürte man am Kopf, dass es Minusgrade hatte, doch das störte nicht, denn das Wasser hier hatte die wollige Temperatur einer riesigen Badewanne. Der Dampf des heißen Wassers tanzte auf der Oberfläche, die an vereinzelten Stellen immer wieder in verschiedenen Farben aufleuchtete. Hier draußen war es einfach wunderschön. In der Ferne sah man die Beleuchtung des nahe gelegenen Sportplatzes, die den Oktoberhimmel erhellte. Während die Anderen herum alberten schwammen Hanna und Fiona ein wenig abwärts auf eine Erhebung zu, auf der ein warmer Sprudel blubberte. Sie blieben dort sitzen und blickten in den dunklen Nachthimmel, wo sich der Mond in seiner ganzen Schönheit zeigte. „Und bereust du es mitgekommen zu sein?“, fragte Hanna während die Blubberblasen sie kitzelten.
„Nein, es ist echt schön. Außerdem war ich schon ewig nicht mehr schwimmen.“, antwortete Fiona begeistert und blickte sie dann verschmitzt an, „Und wie findest du es hier so, mit all den hübschen Mädchen in Bikini?“
„Haha, ja ist schon ganz nett. Aber eigentlich interessieren die mich gar nicht so.“
Fiona verengte die Augen und hob die Augenbrauen „Wenn diese Jess hier im Bikini rumlaufen würde, würde es dich bestimmt interessieren, was?“
Hanna seufzte ungläubig, „Sag mal, was hast du nur immer mit Jess?“
„Ich denke, du würdest dir wünschen, dass sie deine Freundin ist.“
„Du denkst zu viel Fiona“, lachte Hanna kopfschüttelnd, „Apropos Freundin, du hast doch letztens gesagt, dass du Single bist. Hattest du denn schon mal eine Freundin?“
Fiona blickte mit gesenktem Kopf zur Seite und ihr nasser Pony fiel ihr ins Gesicht, „Nein, noch nie. Und einen Freund auch nicht, falls du das als nächstes fragen möchtest. Mit achtzehn finde ich das ein bisschen peinlich, nicht? Wie sieht es denn bei dir aus?“
„Identisch. Ich hatte weder Freund noch Freundin. Lediglich rumgeknutscht habe ich mit ein paar Typen.“
„Ja, rumgeknutscht habe ich auch mit Einigen. Aber bis auf ein paar Knutschflecken haben sie mich nicht befleckt!“, lachte Fiona. Hanna lachte ebenfalls, doch war ein bisschen verwundert. Hatte Fiona ihr gerade indirekt verraten, dass sie noch Jungfrau war? Oder hatte sie das bloß falsch verstanden? Sie wollte allerdings nicht nachfragen, also schlug sie eine andere Strategie an, „Ja, Meister Proper wäre wohl auch stolz auf mich, so rein wie ich noch bin.“
Wieder lachten beide Mädchen auf, doch diesmal war Fiona, diejenige, die nicht sicher war die Metapher richtig interpretiert zu haben. Einen Moment schauten sie sich nur an, dann gab Hanna nach, „Okay, ich will sicher gehen, dass ich dich richtig verstanden habe. Mit nicht befleckt meinst du, dass du noch Jungfrau bist?“
„Ja“, antwortete Fiona ein wenig verlegen, „Und mit rein meinst du vermutlich das Gleiche oder?“
„Richtig.“, gab auch Hanna zu. Wieder schauten sich die zwei Mädchen einfach nur an und der Sprudel ging aus. Fiona war wirklich hübsch. Wieder blickte sie so verlegen, wie letzte Woche als sie sich an ihren Queue fest geklammert hatte. Bevor Hanna Fiona noch weiter so angestarrt hätte, begann sie zu erzählen, „Es gab mal einen Typen, der glaube ich sehr gerne mit mir geschlafen hätte, aber das wollte ich nicht. Und das war auch die richtige Entscheidung.“
„Ja also geschlafen habe ich auch noch mit keinem…“, begann Fiona und ihre Stimme ging nach oben.
„Aber?“, fragte Hanna hellhörig nach. Fiona blickte sich bedacht um und flüsterte, „Bei einem bin ich einen Schritt weiter beziehungsweise… runter gegangen.“
„Oh, verstehe!“, ging Hanna sofort ein Licht auf und wenige Augenblicke später fragte sie leise, „Mit der Hand oder mit dem Mund?“
„Mit dem Mund.“, flüsterte Fiona. Hanna staunte nicht schlecht und fragte dann zögerlich, „Und wie war es?“
Fiona verzog angewidert das Gesicht, „Irgendwie… einfach nein. Es war seltsam. Ich habe mich überhaupt nicht wohl gefühlt. Ihm hat es seiner Reaktion nach allerdings ziemlich gut gefallen. Aber es hatte auch irgendwie was Gutes, dass ich es getan habe. Denn diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass ich diese Erfahrung nicht noch einmal machen will. Ich habe einen Monat gebraucht bis ich Bananen wieder ohne Hintergedanken anschauen konnte und noch einen weiteren um wieder welche essen zu können.“, lachte Fiona und schaute Hanna dann kopfschüttelnd an, „Warum erzähle ich dir das eigentlich? So gut kennen wir uns doch gar nicht!“
Der Sprudel ging wieder an und Hanna legte den Kopf schräg, „Hey, wir haben uns sogar schon gemeinsam in einer Umkleidekabine umgezogen okay? Das habe ich noch nicht einmal mit meiner besten Freundin gemacht!“
„Oho, dann bin ich ja was besonderes, was?“, scherzte Fiona und Hanna spritzte ihr ein wenig Wasser ins Gesicht, „Vielleicht.“
Aus einigen Metern Entfernung hörten sie auf einmal ein panisches Aufschreien und dann eine wütende Becky, die brüllte, „Pia ich schwöre dir, wenn du noch einmal versuchst mir die Hose runterzuziehen, dann klatsch ich dir eine!“
Hanna und Fiona konnten einen Lachanfall nicht zurück halten. Als sie sich wieder beruhigt hatten, sagte Hanna, „Sag mal, ich habe dir ja letztens meine Selbstfindungsgeschichte erzählt beziehungsweise viel mehr geschrieben, aber wie war das eigentlich bei dir. Wie hast du gemerkt, dass du auf Mädchen stehst?“
Fiona atmete tief durch und blickte lächelt gen Himmel, „Es gab keinen speziellen Auslöser. Ich habe mit sechszehn einfach immer öfter gemerkt, dass ich Mädchen irgendwie attraktiv finde und attraktiv nicht auf diese Oh-Ich-Wäre-So-gerne-wie-sie-W eise. Naja, im Internet habe ich dann ein, zwei Mädchen kennengelernt wovon ich mit einem auch rumgeknuscht habe, aber nicht mehr. Und Charly habe ich ja dann auch auf G4G kennengelernt.“
Hanna nickte nur und Fiona blickte auf ihren Bauch herab, um den das Wasser blubberte, „Geoutet bin ich noch bei niemandem. Außer bei euch versteht sich. Ich habe mir allerdings auch erst vor ein paar Monaten eingestanden, dass ich lesbisch bin. Also so richtig lesbisch. Lange Zeit dachte ich nämlich ich wäre bi. Aber unter anderem hat mir besagter Vorfall ziemlich deutlich gemacht, dass das nicht so ist. Bei meinen Eltern würde ich mich irgendwann gerne outen, auch wenn mir bei dem Gedanken jetzt schon die Nerven flattern. Bei meinem großen Bruder weiß ich nicht so recht.“
„Oh, du hast einen großen Bruder?“
„Ja, Sebastian, kurz Basti. Er ist drei Jahre älter als ich und wir haben dieses typische kleine-Schwester-großer-Bruder -Verhältnis. Sprich, wir sind uns für keinen Spaß zu schade und sind stets Verbündete im erbitterten Kampf gegen unsere Eltern. Aber wenn es um Liebe und Sex geht, dann ist das so, als würde dieses Thema nicht existieren. Die kleine Schwester und Sexualität? Nein. Mein großer Bruder und Sex? Brrr… verstehst du was ich meine?“, erklärte die quirlige Brünette äußert lebendig und Hanna lachte. Fiona wollte etwas hinzufügen, doch plötzlich platzte Pia dazwischen, „Hey hier zwei Turteltauben! Wir sind als Gruppe da, wollt ihr also auch mal wieder zu uns rüber kommen?“
Am liebsten wären die zwei einfach dort sitzen geblieben, doch da sie nicht wollten, dass noch irgendwelche Gerüchte entstanden folgten sie Pia zu den anderen. Auf dem Weg dorthin griff Pia auf einmal an Hannas Bikinioberteil, doch diese konnte schlimmeres verhindern, „Pia! Hör auf damit!“
„Ach man!“, lachte Pia und ihre Zahnspange blitzte hervor, „Pass nur auf Hanna, ich erwisch dich schon noch!“
Mit fünfzehn wusste Jess sicher, dass sie lesbisch war. Es gab keinen Zweifel daran, auch wenn sie noch nie etwas mit einem Jungen gehabt hatte. Doch dazu verspürte sie auch keinerlei Bedürfnis. Sie wusste es einfach. Allerdings waren die Jungs in ihrer Klasse ziemlich von dem Mädchen mit dem verwegenen schwarzen Pony beeindruckt. Nicht nur weil sie so hübsch, sondern auch im Sportunterricht wirklich überragend war. Natürlich war es vielen der Mitschülerinnen ein Dorn im Auge, dass die Jungs Jess so nach hechelten, doch diese scherte sich nicht darum, wenn sich ein Mitschüler für sie interessierte.
Ihre beste Freundin damals war Sara. Ein hübsches Mädchen mit kastanienbraunem Haar, das man nicht nur einmal zur Klassensprecherin wählte. Die beiden waren beste Freundinnen wie sie im Buche standen. So oft es ging, übernachteten Jess zuhause bei Sara. In diesen Nächten redeten sie stundenlang über ihre Träume, ihre Ängste oder ihre Wünsche. Doch egal wie sehr sich die beiden auch vertrauten, ihr größtes Geheimnis erzählte Jess Sara nie. Zu groß war die Angst vor der Ablehnung, immerhin war Sara ihre beste Freundin. Und in eben diese begann Jess sich zu ihrem Schreck zu verlieben.
Sara mochte Jungs, sehr sogar und oft schwärmte sie Jess von ihnen vor. Diese zwang sich der Freundschaft wegen stets zu einem Lächeln und dazu interessiert zu wirken, doch innerlich brodelte sie vor Eifersucht. Wenn sie mitbekam, wie sich Sara mit einem Jungen unterhielt, den sie sehr mochte, fand sich Jess in vollkommener Hilflosigkeit wieder. Sie hatte den verzweifelten Wunsch den Kontakt zwischen den beiden zu unterbinden, irgendwie einzuschreiten und das zu Beenden was noch gar nicht angefangen hatte. Doch das konnte sie nicht. Mit der Zeit konnte sie Sara nicht mehr ansehen ohne dabei nicht in irgendwelche Fantasien abzugleiten. Ihr sanft durch ihr Haar zu streichen oder ihren wunderschönen Mund zu küssen.
Als sich die neunte Klasse dem Ende neigte, fand wie jedes Jahr das Sommerfest ihrer Schule statt. Ab dem Nachmittag verbrachten Jess und Sara die Festlichkeiten mit zwei Jungs, die im gleichen Religionskurs waren wie sie. Auf Stefan hatte Sara schon seit längerem ein Auge geworfen und er begab zu verstehen, dass auch er sie toll fand. Sein Kumpel, ein sympathischer Strich in der Landschaft, versuchte immer wieder bei Jess zu landen, vergebens. Als am Abend die Schulband spielte und sich einige Schüler auf die Tanzfläche begaben wurde für Jess ein Alptraum war, als sie mit ansehen musste wie Sara und ihr Casanova sich eng umschlungen küssten. All ihre Organe verkrampften sich schmerzhaft und Tränen schossen ihr in die Augen. Jess‘ Begleitung hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben auch so zu enden wie sein Kumpel auf der Tanzfläche, doch mit feuchten Augen lehnte Jess die Aufforderung zum Tanzen ab und verließ frühzeitig das Fest.
Sie wusste, dass Sara die ersten zwei Wochen der Sommerferien in die Bretagne fahren würde. Wenn sie wieder zurück käme, würde Jess ihr ihre Liebe gestehen. Ihr war klar, dass das nicht auf Gegenseitigkeit beruhte, doch sie verspürte den unglaublichen Drang es ihr sagen zu müssen. Wie genau sie dies anstellen würde, wusste sie bereits.
Mit Hilfe ihrer anderen besten Freundin: Ihrer schwarzen Fender Squier Westerngitarre. Diese hatte sie zu ihrem zwölften Geburtstag bekommen und sich mit Hilfe von Büchern und dem Internet das Gitarre spielen selbst beigebracht. Richtigen Gitarrenunterricht hätte ihre Mutter ihr nie bezahlt. Es war schon in Wunder, dass Jess überhaupt die Gitarre bekommen hatte. Immer wenn sie traurig war, klimperte sie ein paar Töne auf der schwarzen Schönheit und schon hatte sie ihre Sorgen vergessen. Manchmal schrieb sie sogar eigene Songtexte. Und während sich ihre beste Freundin am Strand sonnte, komponierte Jess ein Stück für sie.
Einen Tag nach ihrer Rückkehr schaute Sara bei Jess vorbei um ihr einen ausführlichen Urlaubsbericht zu erstatten und ihr ein kleines Souvenir zu schenken. Ein schönes geflochtenes Freundschaftsarmband, „Hier, das ist deins, ich habe auch eins. So sind wir Freunde für immer!“, sagte die braungebrannte Sara stolz und legte ihrer besten Freundin das Armband an. Das redselige Mädchen erzählte fast eine Stunde was sie alles in Frankreich erlebt hatten. Jess versuchte ihr aufmerksam zuzuhören, doch sie war so nervös und angespannt, dass sie das Gefühl hatte, sich jeden Moment übergeben zu müssen.
„Sara, weißt du noch, als ich dich vor nicht allzu langer Zeit gefragt habe, was ich am besten tun sollten um jemandem meine Liebe zu gestehen?“, fragte Jess irgendwann mit zittriger Stimme. Sara dachte kurz nach, „Ja! Ich habe gesagt, mit einem Lied wäre es sehr cool!“
Jess stand auf und holte ihre Fender aus der Ecke, „Richtig. Und genau das habe ich gemacht.“
„Wieso? Oh sag bloß du hast dich verliebt! Wer ist es?“, fragte Sara total aus dem Häuschen und packte Jess am Arm. Mit einem beklemmten Lächeln setzte sich Jess wieder zu ihr aufs Bett und brachte die Gitarre in Position, „Hör‘s dir einfach mal an.“
Sara lauschte gespannt dem lieblichen Klang der Westerngitarre und Jess‘ Stimme. Doch ab dem Refrain verschwand das begeisterte Grinsen langsam aus ihrem Gesicht, denn ihr wurde nun klar, wen Jess in ihrem Lied besang. Als sie geendet hatte, saß Sara mit einem Gesichtsausdruck von Verwunderung und Ratlosigkeit vor dem Mädchen mit der Gitarre. Jess‘ Herz schlug so schnell, dass sie befürchtete ihre Venen könnten das ganze Blut nicht rasch genug dorthin transportieren wo der Körper es brauchte und sie deshalb gleich in Ohnmacht fallen würde. Sara öffnete ihren Mund, brauchte aber noch fast eine Minute ehe sie eine Mischung aus Frage und Aussage herausbrachte, „Das… du… das Lied handelt von mir?“
Mit schuldbewusster Miene antwortete Jess, „Ja. Ich habe dir das nie erzählt, aber seitdem ich denken kann liebe ich Frauen. Und in letzter Zeit da habe ich Gefühle für dich entwickelt. Ich, ich habe das nicht geplant und ich wollte das auch nicht und habe versucht mich gegen diese Gefühle zu wehren, sie zu besiegen aber ich kann es nicht ändern.“
Sara saß immer noch mit bleichem Gesicht vor ihr und rieb sich überfordert die Stirn, „Nein, nein, ist schon gut. Ich weiß nur nicht genau was ich dazu sagen soll. Ich bin hetero, also kann ich dir nicht das geben, was du willst.“
„Ich weiß. Darum ging es mir auch gar nicht. Ich weiß, dass diese Gefühle nicht auf Gegenseitigkeit beruhen und auch nie beruhen werden. Ich fand nur, dass du ein Recht darauf hast es zu erfahren. Immerhin bist du meine beste Freundin“, erklärte Jess. „Ich musste es dir einfach sagen. Mich hat das verfolgt wie ein böser Schatten.“
Sara nickte nur verständnisvoll, „Ja verstehe ich. Jetzt ist es ja raus.“
„Bist du irgendwie sauer auf mich oder hast du ein Problem damit?“, fragte Jess und blickte Sara besorgt mit ihren saphirblauen Augen an. Diese winkte nur mit einem kurzen Auflachen ab, „Nein! Ich habe kein Problem damit wenn Leute homosexuell sind. Und bei dir schon gar nicht, du bist doch meine beste Freundin!“
Jess wollte etwas erwidern, doch Sara kam ihr zuvor, denn diese sagte auf einmal hektisch. „Du, ich muss jetzt leider gehen. Ich muss noch auspacken und Verwandte anrufen und den ganzen Kram, den man nach dem Urlaub ebenso machen muss.“ Sie sprang auf und griff nach ihrer Handtasche. Jess war ein wenig verwundert über diesen plötzlichen Aufbruch, doch sagte, „Okay geht in Ordnung. Wir schreiben einfach am Abend, ja?“
Sara umarmte ihre beste Freundin und lächelte, „Ja machen wir! Bis später!“
Und ohne ein weiteres Wort verschwand das Mädchen mit den kastanienbraunen Haaren und hinterließ nur eine Parfümwolke in Jess‘ Zimmer.
Auch wenn Sara ihr gesagt hatte, dass alles in Ordnung wäre, war Jess nicht ganz davon überzeugt. Und dieser Zweifel verhärtete sich, als das Chatgespräch der Freundinnen am Abend nur sehr wortkarg ausfiel. Die Tage darauf bekam Jess überhaupt keine Antwort mehr von Sara. Als sie nach zwei Tagen nicht geantwortete hatte, versuchte Jess sie am Handy zu erreichen, doch dort ging jedes Mal nur die Mailbox ran. Sie rief bei Sara zuhause an doch dort ging nur ihre Mutter ans Telefon. Jess bat sie darum, Sara auszurichten, dass sie zurückrufen sollte, doch Jess hatte das seltsame Gefühl, dass das nicht passieren würde. Und genau so war es auch. Sie vermutete, dass ihre beste Freundin vielleicht ein wenig mit der Situation überfordert war und wollte ihr deshalb Zeit geben. Doch als diese nach einer Woche immer noch wie vom Erdboden verschluckt schien, beschloss Jess bei ihr vorbeizuschauen.
Sara wohnte mit ihren Eltern im ersten Stock eines Mehrfamilienhauses nicht weit entfernt. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend und kribbeligen Händen klingelte Jess an der weißen Haustür mit einem schönen Geflecht daran. Schneller als gedacht ging die Tür auf und Sara stand in ihrer Jogginghose da, „Jess! Was willst du denn hier?“, fragte sie streng und blickte sich bedacht im Treppenhaus um.
„Du hast dich seit einer Woche nicht mehr gemeldet, ich habe mir Sorgen gemacht!“
„Musst du nicht, bei mir ist alles gut.“, gab Sara nur monoton zurück.
„Bist du sicher?“
Sara dachte einen Moment nach, dann wandte sie sich zur Seite, „Ehrlich gesagt nicht.“
„Das dachte ich mir. Was ist denn los?“, fragte Jess.
Sara verzog ihren Mund und brach ihr Schweigen, „Ich hab mich geirrt! Ich habe ein Problem damit, dass du lesbisch bist! Wie soll ich mich dir jetzt bitteschön gegenüber verhalten? Ich kann nicht mehr mit Jungs reden, weil ich ständig fürchten muss, dass du dazwischen springst weil du auf mich stehst! Wenn ich früher gewusst hätte, dass du andersrum bist, dann…
„Dann was? Hättest du dich dann nicht mit mir angefreundet?“, fragte Jess verständnislos.
„Nein, ich glaube nicht. Ich will nichts mit Leuten wie dir zu tun haben! Stell dir mal vor, die in der Schule kriegen mit wie du mich anschmachtest! Die denken dann doch sicher ich wäre auch so eine eklige Lesbe wie du!“
„Eklige Lesbe?“, fragte Jess ungläubig und ihr Mund klappte auf.
„Ja, eklige Lesbe! Du bist ein Mädchen Jess! Mädchen stehen auf Jungs! Irgendwas ist bei dir doch schief gelaufen! Hol dir Hilfe, vielleicht kann man es noch retten. Ich will auf jeden Fall nichts mehr mit dir zu tun haben!“
„Und was ist mit dem hier?“, sagte Jess und deutete auf das Armband, dass ihr Sara aus Frankreich mitgebracht hatte, „Freunde für immer?“
Mit einem abfälligen Blick musterte diese es. „Das kannst du dir in den Arsch stecken. Ist eh nur Billigware! Weißt du was Jess, stürz dich einfach von der nächsten Brücke oder so. Spätestens in drei Jahren wirst du das eh tun, weil so was Abnormales wie du niemals in unserer Gesellschaft akzeptiert werden wird!“, brüllte Sara und wollte im nächsten Moment die Tür zuschleudern, doch Jess reagierte so schnell, dass sie es noch schaffte ihre Hand zwischen Tür und Rahmen zu stemmen. Ein betäubender Schmerz durchzog Jess‘ Hand als die Tür mit größter Wucht auf ihre Fingerknöchel prallte. Doch Sara war das offensichtlich egal, denn sie versuchte weiter die Tür zuzudrücken.
„Sara! Meine Hand ist noch dazwischen!“, brüllte Jess mit schmerzverzerrter Miene. Für einen Moment fürchtete sie, ihre beste Freundin würde ihr im Eifer des Gefechts die Finger brechen oder im schlimmsten Fall gar abquetschen, doch diese gab Gott sei Dank nach. Jess zog ihre Hand rasch aus dem Spalt und sah mit Entsetzen wie aufgerissen und blau ihre Finger waren. Ohne ein weiteres Wort knallte Sara die Tür so heftig zu, dass das Geflecht daran zu Boden fiel. Jess stand nach wie vor an Ort und Stelle und hatte keine Ahnung was gerade passiert war.
Fortsetzung Part 2...
copyright © by
cappuccino007. By publishing this on lesarion the author assures that this is her own work.