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Meeresglitzern/6-7

von Narren_Koenigin


6. Der Fall


Gedankenverloren und mit ziellosem Blick, saß Marika auf einer kleinen Mauer, nicht weit vom Strand entfernt. Ihr Körper war noch immer unter Spannung, als würden winzige Stromschläge durch ihre Muskeln schießen. Und das Herz, dass sich eben noch aufgeregt überschlagen hatte, lag plötzlich bleischwer in ihrer Brust.
Geistesabwesend begann sie, feine Sandkörnchen aus ihrem Haar zu streichen und schüttete auch einen Rest aus ihren Schuhen auf die Mauer. Mit einem Finger begann sie den Sand zu verteilen. Dann schloss sie die Augen. Sie sah Ninas Blick. Das Glitzern des Meeres in ihm. Dann die Leidenschaft. Marika spürte immer noch den Stoff ihres T-shirts zwischen ihren Fingern, den körnigen Sand und warme, weiche Haut. Sie strich sich mit zwei Fingern über ihre Lippen und fühlte Ninas Kuss.
Ihre Hände, die sich den Weg unter Marika´s Hemd bahnten und über ihren Rücken streichelten. Augenblicklich jagte auch jetzt wieder ein Schauer über diesen.
Marika legte sich eine Hand über die Augen. Sie nahm einen tiefen Atemzug, in der Hoffnung das Vakuum aus ihrem Bauch vertreiben zu können. Oder wenigstens den Kloß in ihrem Hals. Doch es half nichts. Nur ein Zittern verließ ihren Körper. Und dann weinte sie.

Sie weinte, weil sie so verdammt glücklich war. Sie weinte, weil sie sich elendig fühlte. Sie weinte, weil es paradox war. Und sie weinte, weil sie Nina sitzen lies und es jetzt schon bereute. Mit verschwommenen Blick schaute Marika auf das hell leuchtende Handy-display.
„scheiße, schon nach zehn“, sagte sie leise zu sich selbst, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und zog sich die Schuhe an. Dann sprang sie von der Mauer.
Immer wieder kullerten ein paar Tränen hinterher. Immer wieder dachte sie daran, was gerade geschehen war .
Erst als sie fast vor ihrem Bungalow stand, gelang es ihr, sich etwas zu beruhigen. Sie nahm noch ein paar tiefe Atemzüge und dann drückte sie auf die Türklingel. Noch im selben Moment bereute sie, dass sie nicht erst nachgeschaut hatte, ob das Fenster noch offen ist. „verdammt“, flüstere sie und dann schwang die Tür vor ihrer Nase auf. „Da bist du ja !!!“, sagte Kim halb genervt und halb beruhigt und kurz darauf kam auch Silke mit geröteten Wangen in den Flur gestampft. „Sag mal, kann es sein, dass du dezent bescheuert bist?“, fragte sie betont freundlich und stemmte ihre Fäuste in die Taille.
Marika schwieg. Wieso regte sie sich so auf?
„Du kannst so froh sein, dass der Konrad dich nicht sehen wollte. Wir haben ihm gesagt du schläfst schon und dir sei übel. Was ich eigentlich auch gedacht habe. Aber offensichtlich geht's dir ja blendend, wenn du durch die Gegend dackeln kannst. Ich hätte fast einen auf den Deckel gekriegt wegen dir. Gut, dass ich gerade rechtzeitig zurück war, als der kam, ich hab dich nämlich gesu-“.
Erst jetzt bemerkte Silke Marikas gerötete Augen.
„Was ist passiert?“, fragte sie mit höchst verwirrtem Gesichtsausdruck.
„Windböen.“ Sagte Marika schließlich ausdruckslos und ging Schulternzuckend an Kim und Silke vorbei ins Schlafzimmer. Seufzend flappte sie sich rücklings auf das Bett.
Dann standen Silke und Kim mit ungläubigen Gesichtern in der Tür. „Windböen?“, wiederholte Silke Marika' s Aussage und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ist halt windig an der Ostsee“, sagte Marika, während sie apathisch an die Decke schaute. „Du willst nicht darüber reden, oder?“, hakte Kim nach obwohl die Antwort offensichtlich war. „Grad nicht“, antworte Marika, rollte sich in die Bettdecke und drehte ihnen den Rücken zu. „Na ja, vielleicht morgen“, sagte Kim gutmütig und Marika hörte sie davon gehen. Als sie über ihre Schulter lugte, war auch Silke verschwunden. Erleichtert atmete sie auf. Sie fand es ja wirklich süß, dass die beiden sich Sorgen machten, aber sie hatte einfach keine Lust jetzt darüber zu reden. Sie wunderte sich nur ein bisschen, wie schnell Silke aufgegeben hatte.

Erst später, als die beiden im Bett lagen, und es dunkel um sie herum war, begann Silke weiter nachzuhaken. „Warum willst du nicht sagen was los war?“, fragte sie vorsichtig . „Weil ich grade keine Lust habe zu reden“, sagte Marika und bemühte sich ernst dabei zu bleiben, denn auf ihren Lippen breitete sich ein Lächeln aus.
„Wozu die Heimlichtuerei?“
Sofort hatte Marika wieder die Bilder vor Augen und ihr Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen.
„Ich dachte wir wären Freunde?“, sagte sie nun und klang langsam wirklich beleidigt.
„Ach“ begann Marika. „Das hat doch damit nichts zu tun. Jeder darf doch Geheimnisse haben,“ sagte Marika beschwichtigend.
„Ich hab keine vor dir. Nie.“ Das war natürlich völlig übertrieben von Silke, aber Marika beschloss sich einen kleinen Ruck zu geben. Vielleicht machte sie sich ja wirklich Sorgen.
„Ich hab einfach ein paar Sachen mit Tim zu klären“, kam ihr als erstes in den Sinn, und es war ja nicht mal gelogen.
„Aha.... was denn?“, hakte Silke weiter nach.
„Sag ich nicht, Silke!“, antwortete Marika bestimmt und seufzte genervt. „Nicht jetzt.“
Sie wusste, dass sie Silke gerade wahnsinnig machte. Aber deshalb tat sie es nicht. Es war, als wollte sie zu viel sagen, um noch reden zu können.
"Wenn das Herz voll ist, läuft der Mund über", hatte Marikas Oma immer gesagt.
Aber gerade fand sie keine Worte für das, was passiert war, oder für das, was es sie empfinden lies. Außerdem war sie erschöpft, und würden nicht so viele Gedanken in ihr herumgeistern, wäre sie sofort in den Schlaf gefallen.
Doch scheinbar hatte Marika es tatsächlich so gesagt, dass selbst Silke wusste, dass sie heute keine Chance mehr hatte.
Denn die murmelte nur noch : „Dann nicht“ und drehte sich von ihr weg.
„Gute Nacht“, sagte Marika noch freundlich, ohne eine Reaktion von Silke zu erhalten und drehte sich ebenfalls zur Seite. Und dann schloss sie die Augen und grinste selig in die Dunkelheit. Jedenfalls so lange, bis ihr klar wurde, dass sie tatsächlich mit Tim reden musste.

7. Überraschungen

Als Marika aufwachte, war Silke bereits aufgestanden. In der Küche hörte sie Löffel in Tassen klappern und leise Stimmen.
Ausgiebig streckte sie sich und rieb sich die brennenden Augen. Diese Nacht hatte sie kaum geschlafen.
Immer wieder spielte sie den gestrigen Abend wie einen Film in ihrem Kopf ab. Was Nina wohl von ihr denken würde?
Im Eifer des Gefächts überrannten sie die Gefühle. Sie waren so fremd und so plötzlich da, dass es sie überforderte.
Sie hatte das Gefühl sich sortieren zu müssen und wich von ihr. Sie brabbelte irgendwas davon, dass es zu spät sei und
sie gehen müsse und im weggehen wie leid es ihr tat. Letzteres war das einzige, das sie wirklich so meinte.
Die Uhrzeit und der mögliche Ärger mit ihrem Klassenlehrer, waren ihr in diesem Moment völlig egal.
Die beiden verblieben mit leeren Händen und zumindest Marika, mit höchst verwirrenden, neuen Gefühlen.
Ob sie sie wohl heute wieder sehen würde? Wie würde sie reagieren?
Marika quälte sich langsam aus dem Bett und schlurfte zum Kleiderschrank. Sie suchte ihre Lieblingsjeans heraus und zog eine hübsche, flattrige, Bluse aus eines von Silkes Fächern. Ihr triumphierendes Grinsen würde Marika heute ganz egal sein. Nachdem sie sie gestern so gequält hatte, gönnte sie es ihr sogar ein bisschen.
Die Bluse saß bei Marika zwar mehr eng als flattrig, aber es sah trotzdem gut aus.
Im Bad pinselte sie noch etwas an ihrem Gesicht herum und knete sich etwas Schaumfestiger in die Haare, dann ging sie zu den anderen.
Sobald sie die Küche betrat, verstummten die beiden. "Na toll, was die sich wohl jetzt zusammengereimt haben“, dachte Marika. >>Ihr könnt ruhig weiter reden<<, sagte sie und holte sich einen Kaffee.
>>Du hast meine Bluse an ?!<<, durchbrach Silke die kurze Stille und nahm einen Schluck aus ihrer Tasse. >>Ja. Das Privileg eine wandelnde Boutique dabei zu haben, weißt du noch?<<, sagte Marika freundlich und fand, dass Silke anders klang als sonst. >>Ne, ist ja auch kein Ding<<, sagte sie dann doch und Kim warf ein : >>Steht dir echt gut<<.
>>Danke<<. Marika setzte sich auf einen leeren Stuhl und fühlte sich mit einem mal total unbehaglich. War Silke tatsächlich so sauer, weil sie ihr nichts gesagt hatte?
>>Wir haben heute einen freien Tag oder?<<, fragte Kim und Silke bejahte. >>Und was habt ihr so vor?<<, hakte sie weiter nach.
>>Weiß nicht. Ein paar Jungs wollten sich später am Strand treffen. Kommt ihr mit?<<, fragte Silke beide, schaute aber nur Marika an.
>>Klar<<, antwortete sie wesentlich enthusiastischer, als sie es war.
Dann zog Marika, schwer seufzend, ihr Handy aus der Hosentasche und tippte eine Nachricht ein. Hey Tim. Bist du nachher auch am Strand? Ich muss mit dir reden.
Marika. Kurz zögerte sie.
Dann drückte sie auf Senden.


Von Weitem konnte man bereits ein Grüppchen aus Jungs auf einer großen Picknick-decke sitzen sehen. Sie hatten es sich zwischen den Stützpfeilern eines großen Holzstegs mit Chips und Bier gemütlich gemacht. Silke war bereits einige Meter vorraus gegangen und versuchte sich von hinten an Erhan zu schleichen. Kim hatte ihr eigenes Strandtuch mitgebracht und breitete es mit einer schwungvollen Bewegung aus.
Als Marika sich eine freie Ecke auf der Decke gesucht hatte, legte Tim liebevoll einen Arm um ihre Schulter. Marika beschloss, ihn nicht vor all seinen Freunden dumm dastehen zu lassen, also drückte sie ihm einen Schmatzer auf die leicht kratzige Wange und bemühte sich um ein Lächeln. >>Bierchen?<<, frage Tim lachend und hielt es ihr vor die Nase. Kurz musste Marika ernsthaft überlegen, was daran so lustig war, doch dann fiel es ihr wieder ein und sie lachte ebenfalls, wenn auch mehr über ihre lange Leitung.
Sie lehnte dankend ab, nahm sich aber eine Hand voll Chips, heute Morgen hatte sie ganz vergessen zu frühstücken, fiel ihr auf.
„Also“, begann Tim schließlich. „Du wolltest mit mir reden?“ Aus dem Augenwinkel sah Marika, dass Silke ihr einen merkwürdigen Blick zuwarf.
„Ja... aber nicht hier. Lass uns gleich woanders hin gehen“, sagte sie und spürte einen Anflug von Nervosität. „Okay, wir spazieren gleich 'ne Runde“, sagte Tim und fügte dann nach kurzem Zögern hinzu: „Ich muss dir nämlich auch was sagen“.

Die nächsten Minuten hätten sich kaum noch länger ziehen können. Nicht, dass Marika sich sonderlich auf dieses Gespräch gefreut hatte, aber irgendwo wollte sie es auch einfach hinter sich haben. Aber vor allem interessierte sie, was Tim ihr wohl zu sagen hatte. Insgeheim hoffte sie tatsächlich ein bisschen, dass er irgendwelchen Mist gebaut hatte, für den sie so wütend auf ihn sein müsste, dass sie ihn verlassen könnte, ohne dass es auf sie zurück fällt. Aber dafür wirkte er irgendwie zu entspannt, fand Marika.
Schließlich fasste sie sich ein Herz und beschloss die Bombe endlich platzen zu lassen. Sie stand auf und Tim tat es ihr gleich, ohne, dass sie ihn dazu auffordern musste.
„Also...“, sagte Marika und die beiden begannen langsam am Wasser entlang zu laufen.
Tim nahm ihre Hand in seine. Das macht es auch nicht leichter, dachte Marika, lies seine Hand aber nicht los. „Also?“, hakte er erwartungsvoll nach.
„Ich hab so was noch nie gemacht, weißt du...“, versuchte sie unbeholfen einen Anfang zu finden und ein leichtes Zittern lag in ihrer Stimme. „Was denn?“, sagte Tim, der im Gegensatz zu ihr ein deutliches Lächeln in seiner trug.
Nachdem sie die anderen ein ganzes Stück hinter sich gelassen hatten, blieb Marika stehen, lies seine Hand schließlich doch los und drehte sich zu ihm um.
Sie nahm einen tiefen Atemzug und versuchte ein tröstendes Lächeln aufzusetzen.
„Tim, du bist so ein toller Kerl“, begann sie schließlich, in der Hoffnung, das nächste würde dann weniger weh tun. Sie sollte jedoch sofort bereuen, sich mit Teil zwei eine Sekunde zu lange Zeit gelassen zu haben. Denn nun unterbrach Tim sie mit etwas, das Marika in diesem Moment liebend gern mit einer fliegenden Feuerquallen-plage eingetauscht hätte.

„Ich liebe dich.“
„Oh“, stieß sie aus. Etwas besseres fiel ihr nicht ein.
„Ich weiß, wir sind noch nicht so lange zusammen, aber ich weiß es trotzdem.
Ich finde auch, dass du toll bist. Du bist einfach anders. Du bist hübsch, aber nicht so eine Tussi. Du bist nie zickig und auf deine eigene Art sogar ziemlich witzig. Du bist mir zwar ein ziemliches Rätsel manchmal, aber-“ Marika öffnete den Mund, wollte ihn unterbrechen, doch er hob die Hand, zum Zeichen, dass sie warten solle und sprach weiter. „-aber genau deshalb sage ich dir das jetzt. Vielleicht hast du ja irgendwelche Zweifel daran, ob ich's ernst meine. Aber jetzt weißt du Bescheid, ich hab keine. -
und Schatz-“, sagte er, und Marika stutzte, denn so hatte er sie noch nie genannt.
„-Ich weiß du hast es noch nie gemacht und das ist schon okay. Ich kann schon noch etwas warten“, beendete er seine Rede schließlich und schaute Marika erwartungsvoll lächelnd an.
In ihrem bleichen Gesicht hatte sich ein Brei aus Verlegenheit, Hilflosigkeit und Verzweiflung breit gemacht.
„ähä“, lachte sie überfordert und ihr Mund formte sich zu einem „naja, das Problem ist nur...“, doch aussprechen konnte sie es nicht.
„Das war jetzt nicht ganz die Reaktion die ich mir erhofft hab“, lachte Tim verlegen und zuppelte unbeholfen an seiner Mütze. „War das doch zu früh? - Hey, du sollst mich ja nicht heiraten...“
Marika schloss angestrengt die Augen und presste die Lippen aufeinander. Und dann sagte sie schließlich:
„Ich mach schluss.“


„Du verarschst mich“, sagte Tim und lachte dabei. Aber es war ein ganz anderes Lachen, als eben noch.

„Nein...“, sagte Marika schwer ausatmend und fühlte sich nicht annähernd so befreit, wie sie es sich vorgestellt hatte. Wieso musste er ihr nur ausgerechnet jetzt seine Liebe gestehen?
„Ey...“, setzte Tim mit zittriger Stimme an, und seine Unsicherheit schien sich in Wut zu verwandeln. Kopfschüttelnd schaute er zu Boden und seine Hände ballten sich zu Fäusten.
„Tim...“, sagte Marika ruhig und leise und wollte ihm sagen, wie leid es ihr tat, aber er lies sie nicht zu Wort kommen.
„Warum?“, sagte er und nickte ihr dabei feindselig zu.
„Ist das wichtig?“, fragte Marika vorsichtig und trat einen Schritt zurück.
„Poppst du hier mit irgendwem rum?“
„Nein, Mann“, entgegnete Marika schockiert.
Obwohl seine Mutmaßungen, sie würde Fremdgehen, ja gar nicht allzu falsch waren.
Es war vielleicht nicht richtig, es ihm nicht zu sagen, aber sie hatte Angst, es so noch schlimmer zu machen. Und letztendlich, war das ja auch nicht der Punkt.
„Es tut mir so leid Tim. Wirklich. Aber ich liebe dich einfach nicht“, sagte sie schließlich mit einem dicken Kloß im Hals.
„Ich hab´s versucht, das musst du mir glauben. Weil du wirklich toll bist und du es verdienst, dass-“
„Komm, lass gut sein“, unterbrach er sie, mit einem solchen Ausdruck von Verachtung in seiner Stimme, als würde er ihr die Worte vor die Füße spucken.
Dann drehte er sich schließlich von Marika weg und lies sie mit offenem Mund stehen.

Immer noch ganz perplex machte sich Marika langsam wieder auf, in Richtung Steg.
Sie hatte keine große Lust mehr, mit den anderen rumzuhängen, und eigentlich, war sie ohnehin nur wegen Tim mitgekommen, aber ihre Tasche lag noch auf der Decke.
Tim würde es vermutlich viel schlechter gehen als ihr, dachte sie sich, doch auch sie würde den Schock erst einmal verdauen müssen. Eigentlich hätte er es verdient, dass es ihr noch viel elender geht, aber dafür hätte sie eben viel mehr für ihn empfinden müssen. Die Liebe kann scheinbar wirklich verdammt grausam sein, überlegte Marika.
Da ist jemand wegen einem Feuer und Flamme und man selber bleibt kalt neben ihm.
Nie hätte sie mit einer Liebeserklärung gerechnet, soweit dachte sie einfach nicht.
Aber die beiden lebten ja schließlich die ganze Zeit in verschiedenen Welten.
Ein bisschen schauderte es Marika, als sie an Tims Reaktion dachte. Er war immer so eine ausgeglichene Persönlichkeit, es war seltsam, ihn so wütend und gekränkt zu sehen.

Als Marika die Decke erreicht hatte, schaute Silke sie erwartungsvoll und fragend an, sagte jedoch zu ihrer Verwunderung nichts. „Wo haste Tim gelassen?“ fragte Matthias.
„Haste ihn im Sand verbuddelt?“, fragte Mike, ein anderer Junge aus ihrer Klasse.
„War er so schlecht?“, lachte Matthias und klatschte sich mit Erhan ab, der ebenfalls lachte.
„Im Gegenteil“, entgegnete Marika und zwang sich zu einem Grinsen. Dann hängte sie sich ihre Tasche über die Schulter. Silke schien eine Augenbraue hochzuziehen, widmete sich dann aber wieder ihrem Gespräch mit Erhan.
„Wohin?“, fragte Kim verdutzt und hob ihre Sonnenbrille von der Nase.
„Wir wollen noch ein bisschen weiter weg“, log Marika und hob ihre Hand zum Abschied.
Hinter ihrem Rücken hörte sie die Jungs, die dem Satz längst eine andere Bedeutung gegeben hatten, noch lachen und scherzen. Es war nicht so, dass Marika besonders scharf darauf war wieder eine Lüge in die Welt zu setzen, aber in diesem Moment kam es ihr tatsächlich als der vernünftigste Zug vor, sie einfach in ihrem Glauben zu lassen.
Das ganze ging sie schließlich nichts an.

Auf dem Weg zum Bungalow, dessen Schlüssel sie diesmal hatte, machte sie noch einen Abstecher in den kleinen Supermarkt und kaufte sich alles, auf das sie gerade Lust hatte. Die Handvoll Chips, hatte sie nur noch hungriger gemacht und ihr Magen verlangte grummelnd nach mehr. Außerdem hatte sie ein bisschen Nervennahrung nötig. Das Bisschen bestand aus Schoko-keksen, einer Tiefkühlpizza und einer weiteren Tüte Chips, diesmal aber ganz für sie allein. Bereits beim Anblick dieser Kalorienbomben, packte sie das schlechte Gewissen, sie sah aber trotzdem gerade nicht ein, sich auch nur von einer Leckerei zu trennen.
Wenn Nina sie jetzt sehen würde, dachte Marika, sie würde sie für total verfressen halten. Im Grunde war sie das ja auch, sie hielt sich nur die meiste Zeit zurück.
Beim Gedanken an Nina, wurde ihr ganz anders. Sie hatte sie bisher noch nicht gesehen, es war zwar erst ein halber Tag vergangen, aber es kam ihr furchtbar lang vor.
Prüfend lies sie ihren Blick durch den Laden wandern, vielleicht kaufte sie ja auch gerade ein. Nein, das wäre wohl doch ein zu großer Zufall. Gestern hatte sie sie bereits am Strand entdeckt, so ein Glück würde sie wohl nicht noch mal ereilen.
Aber vielleicht war es ja auch besser so. Sie wüsste gerade ohnehin nicht, wie sie reagieren sollte. Mit einer komischen Mischung aus Enttäuschung und Erleichterung im Bauch ging sie zur Kasse, bezahlte und machte sich auf dem Weg zum Bungalow.

Nach ihrer Fressorgie, hatte Marika sich auf die Wohnzimmercouch gelegt und den winzigen Fernseher eingeschaltet. Es liefen zwar fast nur soaps am frühen Abend, aber sie war in der Hoffnung, dass sie das auf andere Gedanken bringen würde.
Wenig später klingelte es jedoch an der Haustür. Die Mädels kommen aber früh wieder, dachte sich Marika und war ein bisschen enttäuscht darüber. Sie hoffte, einfach mal ein bisschen allein sein zu können, nach allem was geschehen war.
Vielleicht ist es ja auch Herr Konrad, überlegte Marika hoffnungsvoll, nur bitte lass es nicht Tim sein. Noch mehr Gefühlschaos konnte sie jetzt wirklich nicht vertragen.
Doch es waren tatsächlich bereits Silke und Kim, jedoch mit den Jungs vom Strand im Schlepptau.
Sie machten sich mit Sack und Pack in der Küche breit und Mike stellte einen Ghettoblaster auf dem Tisch. „Was wird das“, fragte Marika und wunderte sich, dass sie heute überhaupt noch etwas überrumpeln konnte.
„Wir feiern noch“, sagte Silke, und Marika fiel auf, dass sie ihre Stimme verhältnismäßig lange nicht gehört hatte. „Okay...“, murmelte Marika nur, und war nicht gerade begeistert. Gerade wollte sie ins Schlafzimmer verschwinden, da hielt Kim ihr einen Briefumschlag entgegen. „Hier“, sagte sie leise und drückte ihn ihr unauffällig in die Hand.
„Der Lag vor der Tür.“

Mit laut klopfendem Herzen saß Marika auf der Bettkante und drehte und wendete den Umschlag in ihren Händen. Es stand nur für Marika darauf, kein Absender war zu sehen. Ihr war klar, dass der Brief von Nina stammen musste, denn Briefe schreiben war, soweit sie das einschätzen konnte, nicht Tims Art. Gut, dass Silke ihn nicht zu erst gesehen hat, dachte Marika und riss ihn vorsichtig auf. Gut, dass ihn keiner geklaut hat, fügte sie in Gedanken hinzu, als sie nur einen kleinen Zettel darin fand, auf dem eine Handynummer stand.
Aufgeregt wühlte Marika ihr Handy aus ihrer Tasche und tippte eine Sms:
Nina, bist du das? Ich bin´s Marika.
Gute drei Minuten waren vergangen, als Marika, die inzwischen ganz hibbelig war, durch das Surren ihres Handys erlöst wurde.
Ja, genau die bin ich. Hast du morgen schon etwas vor?
Überglücklich und aufgeregt tippte sie -Nein, hab ich nicht- in ihr Handy, obwohl sie noch gar nicht in den Plan geschaut hatte und ließ sich leise jauchzend aufs Bett fallen.
Selbst der Krach, der aus der Küche bis ins Schlafzimmer drang, war ihr auf einmal ziemlich egal.


...to be continued

Vielen, vielen Dank für's weiter lesen, und sorry, dass es diesmal so lange gedauert hat, ich hatte in letzter Zeit einiges zu tun :)

Ich bemühe mich, dass ich mit dem nächsten, vorletzten Teil, schneller fertig bin.




copyright © by Narren_Koenigin. By publishing this on lesarion the author assures that this is her own work.





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