von Nathy22
Tagebucheintrag 1
Gutes wird mit Gutem vergolten, Böses mit Bösem. Nichts wird vergessen. Der Tag der Rache wird kommen.
Schnell schloss ich die Tür der Toilettenkabine, ging vorsichtig Schritt für Schritt nach hinten, kauerte mich mit dem Rücken an die Wand gepresst, zwischen Toilette und Abtrennwand zusammen während sie wie verrückt gegen die Tür hämmerten. Trotz dessen, dass ich die Hände fest gegen die Ohren presste, konnte ich ihre Beleidigungen hören. Ihr Gelächter, was wie ein Messer tief in mein Herz drang. Ohne es zu wollen flossen dicke Tränen über meine Wangen. Und wieder hämmerten sie gegen die Tür.
,,Lasst mich in Ruhe! Ich hab euch nichts getan”, schrie ich verzweifelt.
Doch das interessierte sie nicht. Sie sind hübscher, schlauer, reicher als ich und der Meinung sie dürften jemanden fertig machen der gesellschaftlich gesehen weit unter ihnen zu stehen schien. Ich hörte einzelne Worte unter ihrem Gelächter: ,,Fett…verrückt…hässlich.”
Und sie lachten aus vollem Leib.
Dann plötzlich, die Klingel zum Beginn der Stunde. Alle verließen den Raum. Das letzte was ich von ihnen hörte war das Zuknallen der Tür. Ich nahm die Hände von den Ohren, wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Jeden Tag um jeden, werde ich von denen schändlich behandelt, ohne Grund. Aber wem könnte ich davon schon erzählen? Wer sollte sich für jemanden wie mich interessieren? Die Antwort darauf wusste ich mir selbst zu geben, keiner.
Langsam stand ich auf, öffnete vorsichtig die Tür, blinzelte hinaus. Ich war allein, Gott sei dank. All zu oft tun sie so als würden sie verschwinden. Nur um mich in eine Falle zu locken.
Ich taumelte aus der Kabine, meine Beine schwer wie Blei, streifte vor zu den Waschbecken, strich dabei über die großen, grauen Wandfliesen, beglotzte mich schließlich im Spiegel. Meine Augen immer noch nass vom Weinen. Meine Traurigkeit wuchs, meine Wut, mein Hass. Ich drehte den Wasserhahn auf, wusch mir die Hände, nicht im Stande mich länger im Spiegel zu betrachten. Ich hoffte all die zusammen gestauten Gefühle einfach von mir waschen zu können, schwachsinnig natürlich. Aber zumindest war es angenehm das kalte Wasser über meine Finger laufen zu lassen. Ich betrachtete die rechte Hand, ballte sie fest zu einer Faust. So fest, dass an jenen Stellen, an denen sich meine Fingernägel in die Haut bohrten, bereits ganz leicht Blut hervor quoll.
,,Nein”, flüsterte ich.
Wieder flossen Tränen. Klatsch, mit der blutigen Hand gegen den Spiegel, mit der anderen hielt ich mich am Waschbecken fest. Ich verschmierte die Flecken betrachtete mich wieder und wieder. Blickte in die leeren Augen des Spiegelbildes, fassungslos darüber, dass dies meine sein sollte. Meine Augen strahlten nichts als Hass aus, mein Mund plötzlich verzogen zu einem gemeinen Grinsen. Der Wunsch jemanden weh zu tun stieg in mir auf. Nicht mehr im Stande diese Gefühle weiter in mir einzuschließen, holte ich aus und schlug dieses mal aus voller Kraft mit der schon fast blutigen Faust auf den Spiegel. Sofort durchfuhr ein stechender Schmerz meinen gesamten Arm. Ich zog die Hand an meinen Körper, verkrampfte sie wieder zu einer Faust, sank zu Boden und kniff die Augen fest zusammen.
Unfähig mich und meine neuen Gefühle zu verstehen weinte und weinte ich. Die salzigen Tränen fielen auf die Wunde, wieder dieser Schmerz.
Unfähig zu begreifen, ob der Schmerz darüber voller Hass zu sein, größer wahr als der meiner Hand, in der mehrere kleine Glassplitter steckten. Für einen kurzen Moment lehnte ich mich an die Wand, die Beine wieder angewinkelt, fest an mich gezogen. Meine linke Hand hielt die rechte umklammert. Ich schloss die Augen und versuchte mir etwas Schönes einzubilden
Etwas das mich das Gelächter und den Schmerz vergessen ließ. Eine Blumenwiese oder einen langen Sandstrand. Und so verging die Zeit.
Kurz bevor es zur nächsten Stunde klingelte, stand ich auf, wusch mir die blutigen Hände, nahm dann meine Tasche, die ich während der Flucht zur Toilette neben einem der Waschbecken verloren haben musste und verließ die Schule über den Schulhof, durch das Tor, Freiheit. Wieder einen Tag überlebt. Den Lehrern würde nie auffallen das ich nicht da bin. So ruhig wie ich war kein anderer in den Stunden. Und so furchtbar wie ich, fristete dort kein anderer sein Dasein.
Ich schlenderte Richtung Wald um meinem Wunsch nach Einsamkeit etwas näher zu kommen. Über den riesigen Platz, auf dem morgens sich die Raucher unserer Schule tummelten. Meistens starrte ich auf den Boden. Nur manchmal hob ich den Kopf und sah mich um. Um diese Zeit waren sowieso nur ein paar Rentner und Säufer unterwegs, welche sich auf Grund schlechter Vergangenheit keiner anderen Lösung hingeben konnten. Ich hätte genauso gut in meine eigene Zukunft blicken können. Natürlich bin ich für das Abitur angenommen. Ob ich das schaffe ist allerdings noch fraglich. Und in meiner Familie gibt es sowieso niemanden der an mich glaubt. Wieso sollte ich es dann tun? Ich bog links ab und folgte einem Weg den man höchstens als Trampelpfad bezeichnen konnte. Links und rechts von mir Felder soweit das Auge reichte. Ich begegnete niemanden außer einem Fuchs und ein paar Vögeln.
Als ich schließlich den Wald betrat, hüllten mich Schatten ein, die eine angenehme Kühle mit sich brachten. Es herrschte Totenstille. Kein Rascheln von Tieren im Gebüsch, kein Knacken der Zweige, nicht einmal der Wind, welcher für üblich durch die Kronen der Bäume zieht und deren Äste sanft hin und her wiegt.
So drang ich immer und immer tiefer in den Wald ein, schneller und schneller, bis ich nicht mehr konnte und mir Schweißperlen auf der Stirn standen. Ich sank zu Boden. Die Gefühle der letzten Stunden und den Vorfall in der Schule versuchte ich zu vergessen. Auf allen Vieren, betrachtete ich das Fleckchen Erde zu dem es mich in Rasche getrieben hatte. Nicht weit von mir ein kleiner See in dem sich, von einem Felsen ganz in der Nähe ein kleiner Wasserfall, falls man ihn überhaupt als solchen bezeichnen konnte, ergoss. Ich legte mich auf den Rücken, starrte zu den Baumkronen, lauschte dem Rauschen des Wassers, welches das Lachen der Anderen letzten Endes doch noch auszublenden vermochte.
Die Augen geschlossen, träumte ich davon einfach abzuheben und alles hinter mich zu lassen, um völlig neu anfangen zu können. Ein ganz anders Leben. Irgendein Ort, an dem es einem noch möglich war frei zu sein. Ich stellte mir vor, in einem kleinen Haus zu wohnen, ganz nach meinen eigenen Vorstellungen. Ohne Menschen die mich fertig machen können. Ohne Menschen, die mir ständig Dinge vorhielten, welche ich sowieso nicht ändern konnte. Ohne eine Familie die mir, so oft es nur ging, vorhielt wie schlecht und unerzogen ich doch wäre. Ich wünschte dieser Traum würde in Erfüllung gehen. Doch als ich meine Augen wieder aufschlug, war über mir immer noch das Blätterdach, unter mir immer noch die angenehm heiße Erde. Der Geruch des Wassers trat mir in die Nase und ich wusste, ich war zuhause.
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