von atayari
Hastig nehme ich die Hände aus dem Spülbecken, wische mir die Schaumreste am erstbesten Geschirrtuch ab. Dann reiße ich mein Handy von der Herdkante, wo es lag, griffbereit. Es klingelt immer noch. Ein Blick auf die Displayanzeige bringt mein Herz zum Stolpern.
Schnell drücke ich die Stummtaste, sehe den Anruf nur noch blinken. Mit beiden Händen umklammere ich das kleine Gerät, das doch gar nichts dafür kann. Irgendwie bin ich auf dem Boden gelandet. Mit dem Rücken an die Küchenschränke gelehnt sitze ich da und starre auf das kleine Viereck, in dem ein Name und eine Nummer gleichmäßig aufblinken.
Dann hört es auf.
Nach einer Weile lege ich das Handy wieder auf die Herdkante, stehe auf und wende mich wieder dem Spülbecken zu. Mein Herz poltert in meinem Brustkorb, meine Augen brennen, mein ganzer Körper tut weh beim Atmen. Ich bin nicht dran gegangen.
Mein nächster Griff erwischt genau das scharfe Messer, an das ich bis eben noch gedacht hatte und auf das ich aufpassen wollte. Blut tropft von meiner Hand in den weißen Schaum. Jetzt heule ich doch.
Warum bin ich nicht dran gegangen???
Mein Handy piepst. Ich weiß, dass es bestimmt nur die Mailbox ist, die mir mitteilen will, dass ich einen verpassten Anruf ohne Mailboxnachricht habe. Ich stecke meinen blutenden Finger in den Mund und kann es dennoch nicht lassen. Vor Unruhe vertippe ich mich zweimal beim Lösen der Tastensperre, dann schaffe ich es endlich.
Die Nachricht ist von Elisa.
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Erst will ich die Nachricht nicht lesen. Was soll das jetzt?? Drei Tage hat sie sich nicht gemeldet. Und das nach diesem komischen Morgen!!! Warum sollte ich jetzt ihre Nachricht lesen?? Warum tu ich mir das an??
Als mein Finger aufgehört hat zu bluten, lese ich sie doch.
„Es tut mir so leid, Lia! Bitte, bitte, verzeih mir! Und glaub mir, es lag nicht an dir. Es gibt da etwas in meiner Vergangenheit, das ich dir nicht erzählt habe. Und das war daran schuld. Bitte, ich weiß, dass ich dich verletzt habe, und ich weiß, dass Entschuldigungen immer zu spät kommen, aber ich will dich nicht verlieren! Rede mit mir… Bitte melde dich. Elisa.“
Fast hätte ich mein Handy in die Ecke gefeuert. „Bitte verzeih mir!“ Phhh… Sie war doch diejenige, die mich wieder sehen wollte. Nicht ich habe mich ihr aufgedrängt, sie hat das gewollt! Und dann hat sie mich einfach ohne Erklärung vor dem Frühstück vor die Tür gesetzt… Sie kann sich noch nicht mal im Traum vorstellen, WIE SEHR sie mir damit weh getan hat!!!
Während ich noch dabei bin, mich in meine Wut hineinzusteigern, merke ich, dass mir schon wieder Tränen übers Gesicht laufen. Und dass ein Teil von mir sich so sehr freut, dass sie mir geschrieben hat… Ich bin diejenige, die ihre Anrufe nicht angenommen hat. Am ersten Tag nicht, und heute auch nicht. Aber es war schwer… Also höre ich auf, mich auf meine Wut zu konzentrieren, und fange an, darüber nachzudenken, ob ich sie wieder sehen will. Ob ich hören will, was sie mir sagen möchte. Ob ich bereit bin, ihr zu glauben… Ich weiß es noch nicht. Ich hatte das Gefühl, dass die ehrlich zu mir war. Immer, seit wir uns kennen. Doch was in dieser Nacht passiert ist, das weiß ich nicht. Abends war alles gut, alles schön. Am nächsten Morgen war alles anders.
„Sirion.“, denke ich. „Niemand heißt Sirion.“ Ich habe es doch die ganze Zeit gewusst. Andererseits…
Ich lege mein Handy weg und spüle mein Geschirr zu Ende. Das Wasser ist kalt, der Schaum zerfallen. Seufzend fange ich noch mal von vorne an. Neues Wasser, neuer Schaum. Dieses Mal schneide ich mich nicht.
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