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Gemeinsam im Finden verloren - Danach

von leeenaaa


Ich. Ich bin immer noch hier, nach all den ganzen Sachen. Ich, mit meinem Herz aus Eis. Dieses Gefühl, was mich am ganzen Körper durchfährt, als würde man mir mein Herz aushöhlen. Das geht ganz leicht. Nur der Schmerz der Leere kommt im Nachhinein. Ich habe alles verloren. Ich weiß, dass es meine gottverdammte Schuld ist. Ich bin 17. Ich laufe Sonntagnacht volltrunken durch meine beschissene Kleinstadt, die alles umschlingt. Wirst du hier als Mädchen geboren, kellnerst du, oder du wirst schwanger. So einfach ist das. Niemand kann hier raus und niemand will hier rein. Das habe ich schon lange begriffen. Ich habe wirklich versucht, vor dieser Stadt zu flüchten. Ehrlich. Sie trägt das Unglück in jeder ihrer Mauern. Damals, als ich noch dachte, dass das Schlimmste, was je jemand zu mir sagen würde, wäre, dass ich man mich nicht lieben kann. Bis es genügend Leute taten, mit mehr als nur Worten. Es ist egal, mit wie vielen Mädchen du schläfst, wie viele Joints du rauchst, wie vielen Menschen du ins Gesicht schreist oder wie hart du es auch versuchst. Du kannst nicht einen einzigen Augenblick in der Vergangenheit ändern. Ich war ein Kind, sage ich mir. Ich war verliebt. Liebe macht blind. Drogen auch. Jetzt sitze ich jede Nacht auf dem Dach vor meinem Fenster, drehe mir Zigaretten. Die gleiche Marke, die sie immer geraucht hat. Ich mache die Augen zu, und sehe alles wieder vor mir. Das Mädchen, das ich geliebt habe. Die Nächte auf der Decke, die dein Vater dir ließ und mit dem Schnaps, den meiner vergaß. Alles war immer gleich wichtig. Die Schnitte auf ihren Armen, die ich im Mondlicht küsste. Die Blicke, ihrer Mutter, als sie uns zusammen fand. Das Gefühl, ihre schwitzige Hand bei Konzerten zu halten. Die Ferien, bei denen wir ans Meer trampten. Das hungrige Gefühl, nirgendswohin zu können, außer zu ihr. Sich sicher fühlen. Das Versteckspiel in der Spießigkeit, in der wir aufwuchsen. Die erste Line ziehen. Aufwachen. Der letzte Sex, mit der Person, die ich liebe. Absturz. Kontrollverlust. Merken, dass es kein Entkommen mehr gab. Als mein Mädchen lachend eine Zug küsst, während ich zusehe. Mein ganz persönlicher Weltuntergang. Extra auf mich zugeschnitten. Ich schließe die Augen. Atme ein und atme aus. Das alles ist jetzt über ein Jahr her. Ich bin okay. Ja, ich bin am Leben. Mein bester Freund hat mich gefunden, bewusstlos, und hat mich nach Hause gebracht. Obwohl ich in drei Monaten kein Wort mit ihm gewechselt hatte, nur Fäuste. Er verzieh mir, ohne große Entschuldigungen. Er hat nie Antworten auf all seine Fragen bekommen. Vermutlich konnte ich sie selbst nicht beantworten. Mit den Drogen habe ich aufgehört. Hat mir einfach zu viele Blutergüsse und gebrochene Rippen eingebracht. Als Lesbe sollte man nicht unbedingt mit seiner Dealerin ins Bett springen. Auch nicht wenn sie 5 Jahre älter ist, und man denkt, sie könnte einem das Herz heilen. Glaubt mir, dass ist mein Überlebenstipp Nummer 1. Als ich endlich wieder zu Hause aufkreuzte, gab es mehr Fragen als Vorwürfe. Ich ließ sie so gut es ging unbeantwortet. Ich versuche einfach nicht mehr nachzudenken. So über gar nichts. Echt nicht, dass hilft. Ich hab mir einen Platz besorgt, am Gymnasium in der Nachbarstadt. Das kriegst du doch eh wieder hin, sagt meine kleine Schwester. Du hast doch immer alles hingekriegt. Wenn du wüsstest, denke ich, aber verziehe keine Miene. Meine Klamotten sind schwarz, genau wie früher. Nur meiner alten Clique gehe ich auf aus dem Weg. Meine Zukunftschancen, die sich außerhalb eines Kneipenjobs und einem Baby befinden, steigen damit vermutlich erheblich. Zwar bin ich immer noch ein Einzelgänger und streife allein durch die verfallenen Gebäude, aber immerhin sehe ich einen Lichtblick, am Ende des Tunnels. Da ist ein Mädchen, das auch manchmal alleine auf den Dächern sitzt und raucht, direkt gegenüber von mir. Und sie sagt, dass sie Angst vorm Tod hat und dass sie manchmal nachts weint, wenn sie alleine schlafen muss und wenn sie zu mir hinüber kommt, weiß ich nicht, ob ihre Augen oder das Feuerzeug heller leuchten.



copyright © by leeenaaa. By publishing this on lesarion the author assures that this is her own work.



comments


Schön!
dnp2013 - 11.06.2015 09:29
schwärzlich lebensnah
Es ist schön mal keinen rosaroten Brillenroman zu lesen, sondern einen diffusen lebensnahen auf und ab Auszug. So realistisch mit schönen Sätzen.
tintenfux - 30.05.2015 22:49
Respekt
acharnement - 23.05.2015 23:45

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