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Eos - ein Neuanfang

von Lescape


Erdrückende Luft stand wie festgenagelt in der kleinen abgedunkelten Halle. Ein See aus zusammengepferchten Menschen wohnte der Band auf der Bühne bei, das zeitweise Keuchen und das gelegentlich leichte Stöhnen wurden permanent von den Jubelschreien der Masse übertönt, die Boxen vibrierten geräuschvoll. Es war diese typische Konzertstimmung, welche als Gemeinschaftsgefühl beschrieben werden könnte, würde nicht dennoch eine gewisse Anonymität bestehen.
Ich rammte meine Hände in die Hosentaschen, als der nächste Song erklang und schob mich durch die Menge meiner Mitschüler aus dem kleinen Club, der im Keller meiner Schule lag. Den Neuankömmlingen oder Verspäteten die Stirn bietend, stapfte ich an die frische Luft um mich zu akklimatisieren.
Irgendwann würde sie mir noch einmal die Sinne rauben - und den Verstand gleich dazu. Ich liebte sie wahrscheinlich, zweifellos jedoch empfand ich eine Menge für sie, doch es häufte sich in letzter Zeit, dass sie das Bad in der Menge mehr zu genießen schien als die Zweisamkeit mit mir. Nicht, dass ich meine Freiheit nicht zu schätzen wusste. Es tat mir oft sogar gut, doch seitdem sie und ihre Band in unserer Schule und im Bezirk einen gewissen Beliebtheitsgrad erreicht hatten, bestanden unsere gemeinsamen Stunden im Großen und Ganzen aus ihren Bandproben.
Ich pfiff scharf die angestaute Luft aus meinen Lungen und ließ mich an der Hauswand auf den Boden gleiten. Die Nacht war klar und kalt. Ich rubbelte an meinen Armen, um die Gänsehaut zu vertreiben, die ich bekommen hatte. Es stank nach Alkohol auf dem Hof, überall standen verstreut kleine Gruppen, die rauchten oder tranken. Ich fuhr mir durch die Haare.
Es war mir nicht recht. Absolut nicht. Ich hasste es, wenn ich sie die ganze Woche kaum zu Gesicht bekam, nur, weil sie ständig proben mussten. Es war ja alles schön und gut, sie spielten ja auch toll, aber irgendwann reichte es auch.
Ich musste schmunzeln.
Mir war klar, dass ich mich ziemlich egoistisch gab. Doch ich vermisste schlicht und einfach unsere alte Beziehung. Das, worauf ich vergangenen Sommer so stolz gewesen war. Diese Intimität, dieses gegenseitige Vertrauen, dass uns beide immer verbunden hatte. Es löste sich vor meinen Augen auf und ich war schlicht weg nicht in der Lage, es zu ändern. Noch dazu kamen diese Blicke von ihr zu anderen. Diese Blicke, die früher nur mir galten. Es machte mich nicht eifersüchtig. Es machte mich hilflos. Ich konnte nichts dagegen tun, denn das alles war ihre Entscheidung gewesen. Sie hatte die Band gegründet. Sie hatte die Proben arrangiert. Sie hatte den ersten Auftritt organisiert und sie hatte ihren eigenen Willen. Schon immer. Und sie hatte ihr eigenes Leben. Das war etwas, was ich versprochen hatte, ihr zu lassen, sollte es einmal nicht gut laufen. Das war jetzt der Fall. Ich kam mir einsam und verbraucht vor. Zum Teil aber verlor ich mich so sehr in Gedanken, dass ich sie vergaß. Und das tat mir am meisten weh.
„Was ist, Nico? So schockiert von der Musik, dass du hier hockst und dir die Ohren zuhältst?“
Ich kannte diese Stimme, eine schöne, melancholische Stimme, die meiner besten Freundin gehörte. Ich sah auf, in ihr Gesicht und lächelte. „Tue ich das wirklich?“
Sie ließ sich neben mich fallen und verschränkte die Arme vor den Knien. „Natürlich nicht! Du sitzt hier einfach und strahlst vor dich hin, als wäre Sommer und du hast plötzlich Geburtstag, Weihnachten und Ostern auf einmal erlebt. Man, was für eine Frage...“. Sie schüttelte mit dem Kopf und starrte auf ihre Füße. „Was ist los?“
Ich schwieg. Sie verstand es, wenn ich schwieg. Es war etwas zwischen uns, das es manchmal möglich machte, ohne Worte zu kommunizieren. Es war so ein Moment, in dem ich nicht das Verlangen spürte, zu antworten, zu reden, Worte den Weg aus meiner Kehle finden zu lassen. Ich wollte manchmal den Klang meiner Stimme nicht hören, weil es mir weh tat.
Sie nickte resigniert. „Weißt du, Rhea hat bestimmt die gleichen Gedanken. Vielleicht solltet ihr beiden Einfallspinsel mal miteinander reden.“
Ich schnaubte abfällig und zog mir einen Pulli über den Kopf.
„Oh, ich kenn dich doch. Ich weiß ganz genau, dass sie dir auf jeden Fall zuhören würde. Aber du bist einfach nur stur.“
Ich sah sie an. Ihre Stirn war in Falten gelegt, die langen braunen Haare flossen über ihre Schultern. „Ich weiß.“ Ein Schmunzeln umspielte zart ihre Mundwinkel. Sie genoss es sichtlich, mich so weit zu reizen, dass ich ihr untergeben war. Sie kannte mich zu gut, als dass sie ernste Situationen mit mir nicht unter Kontrolle bringen konnte. „Ich schaff das nicht. Es ist echt zu viel. Es geht nicht darum, dass es nicht mehr zwischen uns läuft, es geht darum, dass Rhea nicht mehr die ist, in die ich mich im letzten Sommer verliebt hab.“
„Findest du?“, sie verknotete ihre Hände, so dass ihre Fingerknöchel weiß wurden, „ich hab mit ihr geredet.“ Sie sah mir in die Augen. „Oder besser, sie hat mich angesprochen. Sie wollte wissen, was mit dir los sei. Doch ich fand eher, dass nicht nur du anders geworden bist. Das hab ich ihr auch gesagt.“
Ich schwieg wieder. Lauschte ihrer Stimme. Es war mir nicht fremd, sie so reden zu hören. Ich kannte ihre Art über Probleme zu reden, die nicht ihre eigenen waren und es beruhigte mich, sie grübelnd zu sehen, auch wenn mir dadurch zwanghaft klar wurde, dass dieses innere schreckliche Gefühl nicht nur Illusion war.
„Sie schien mir nicht schockiert darüber, dass ich ihr das ins Gesicht gesagt habe. Sie schien eher zufrieden. Wie auch immer das möglich ist.“
Jemand hustete in der Ferne. Meine Gedanken kreisten. „Das ist meine Rhea. Wenn sie jemand richtig eingeschätzt hat, selbst, wenn es negativ war, ist sie irgendwie erleichtert, wie als würde sie ständig Angst gehabt haben, dass sie unverständlich für andere ist.“ Ein Vogel flog am fast schwarzen Abendhimmel entlang. „Was sagte sie darauf eigentlich?“
„Sie sagte, sie wüsste nicht genau, worauf deine beste Freundin hinaus wolle.“ Rhea stand plötzlich neben mir und schulterte ihren Bass. „Deswegen hat sie sich vorgenommen, heute Abend mit ihrer Freundin darüber zu sprechen.“ Sie verschloss ihr heiliges Instrument in der dazugehörigen schwarzen Hülle und lehnte es an die Wand. Dann setzte sie sich auf den harten Beton des Hofes und nahm vorsichtig meine Hand. „Ich habe lange überlegt, warum wir uns so entfernen. Ich glaube, wir haben beide etwas gefunden, dass uns davon abhält, uns ernsthaft Gedanken über uns selbst zu machen.“ Sie nickte, mehr für sich selbst, als für mich bestimmt und fuhr fort: „Es war wie ein Stich ins Herz, als ich gesehen habe, wie deine Mädels vom Verein mit dir umgegangen sind. Sie waren -,“
„- so, wie du mich nie behandelt hast, nicht wahr?“, schloss ich ihren Satz und drückte sanft ihre Hand. „Du hast mich nie so gelockert, so aufgewühlt gesehen. Oder sagen wir: kaum.“
Sie senkte den Kopf. „Ja.“
Ich musste unweigerlich schmunzeln. „So ist das aber nun mal. So waren wir von Anfang an und es hat doch die ganze Zeit funktioniert. Weil das zwischen uns eben anders war, als alles, was ich vorher hatte.“
„Nico, ich bin verletzt. Du hast mich verletzt. Ich musste zusehen, wie du dich von mir entfremdet hast und konnte nichts dagegen tun. Du bist von Wochenende zu Wochenende weniger geworden. Mit jedem Ligaspiel deines Teams, mit jedem Morgen, der kam und an dem du zur Tür rausgegangen bist, ist ein Teil von dir weg geblieben.“
Sie schaute so traurig in die Ferne, dass es mir förmlich das Herz zerriss. „An jeden neuen Abend auf irgendeiner Bühne vor angetrunkenem Publikum hast du mit jedem flammenden Blick etwas Neues aufgenommen, das ich nicht kennen lernen konnte. Warum hast du mir dazu keine Zeit gegeben?“
„Warum hast du zugelassen, dich von mir zu entfernen, Nico?“
„Warum konnte ich nicht den Platz in deinem Herzen halten, Rhea?“
„Warum musstest du...?“
Meine beste Freundin regte sich. Sie stand auf, nahm meine Hand und die Hand von Rhea und schloss sie ineinander. Ihre Blicke wanderten von mir zu dem Engel, der mir gegenüber saß. Resigniert lächelte sie in sich hinein und verließ uns mit den Worten: „Ihr habt eure Antworten geradewegs vor eurer Nase.“
„Sie hat Recht, Nico. Die Antworten kennen wir beide. Wir haben einfach nur aufgehört, an uns selbst zu denken und –,“
„ – und wir haben vergessen, miteinander zu reden.“ Ich grinste sie an. Ich liebte es, sie zu unterbrechen und ihre Sätze zu vollenden.
Rhea beugte sich nach vorne und küsste mich. „Weißt du, dass ich es hasse, wenn du mich unterbrichst, um meine Sätze zu vollenden?“



copyright © by Lescape. By publishing this on lesarion the author assures that this is her own work.



comments


Endlich..
Magicmaus - 07.08.2005 10:02
schöne Geschichte!!!!!!
Echt schöne Geschichte, gut geschriebn..
hope ma du schriebst noch weiter so schöne geshcihten , die sind echt supa..
Knuddelteddy - 13.07.2005 19:11
schöön..
onlylove - 13.07.2005 12:16

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