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Ein Leben voll Hass

von Equipoise


Sie war immer noch an mir interessiert, obwohl ich sie aus meinem Bett gestoßen hatte. Die blauen Flecken zeugten immer noch von meiner Attacke. Ich hatte sie verbal beschimpft, sie geschlagen und aus reiner Boshaftigkeit ziemlich heftig gebissen. Meine Zahnabdrücke waren immer noch zu sehen. Und trotz allem stand sie wieder vor meiner Tür. In Tränen aufgelöst. Das Haar hing ihr wild ins Gesicht, ich konnte sehen, das sie sich seit Tagen nicht gekämmt hatte. Wahrscheinlich seit dem Tag an dem ich meine ganze Wut an ihr ausgelassen hatte. Ein blaues Auge zierte ihr wunderschönes Gesicht, das nicht von mir stammte. Sie sah mich mit ihren braunen Augen an und das erste Mal in meinem Leben kam ich mir ziemlich hilflos vor. Ich hatte nie vorher eine Frau geschlagen, obwohl ich schon immer sehr zur Gewalt neigte. Ich hatte nie eine Frau an mich herangelassen. Ja, ich hatte sie benutzt, Sex mit ihnen gehabt, aber nie, nie habe ich für sie mehr empfunden als Begierde. Und nun stand sie hier vor meiner Tür, ein paar Tage nach dem ich sie misshandelt hatte. Ein unbekanntes Gefühl breitete sich durch meinen Körper. Konnte es sein, das ich Mitleid hatte?

Schon in meiner Kinderzeit hatte ich die Jungen Reihenweise verprügelt. Ich ging aus jedem Kampf als Siegerin hervor. Meine Brüder, beide älter als ich, kamen öfter mit blauen Augen nach Hause, die ich ihnen beigebracht hatte. Meinem Ältesten hatte ich sogar mal den Arm gebrochen. Ich hatte ihm den Arm auf den Rücken gebogen und in meiner Rage hatte ich nicht gemerkt, das ich ihn so stark nach oben bog, das ich meinem Bruder damit den Arm brach. Kurz nachdem meine Eltern endlich einsahen, das ich ein Gewaltproblem hatte steckten sie mich in eine Therapie, die helfen sollte meine Wut auf andere Weise zu kompensieren. Die Therapie brachte viele Dinge ans Tageslicht. Aber gegen meine Wut konnte sie nicht viel helfen. Laut Dr. Cavanaugh war ich ein Fallbeispiel, wie es im Buche stand. Von den Eltern vernachlässigt, auf sich allein gestellt, vom Onkel missbraucht etc. Ich hörte mir in meinen Therapiesitzungen ganz ruhig an, was mir der Dr. so erzählte... doch ganz ehrlich, ich sah nicht was das mit meiner Wut zu tun hatte.

An den Missbrauch konnte ich mich nicht erinnern. Und das ich nicht im Mittelpunkt stand, was meine Eltern anging, fand ich nicht weiter tragisch.. Immerhin konnte ich auf diese Art viel Unfug treiben. Ich habe mich auch in meiner Teenagerzeit oft geprügelt. Ein oder zweimal wurde ich von der Polizei aufgegriffen, weil ich fremdes Eigentum beschädigt hatte. So ging das eigentlich immer. Bis ich dann mit dem Boxen anfing. Michael, mein Trainer hatte mich bei einem meiner Straßenkämpfe gesehen und angesprochen. Und mir gefiel die Idee noch mehr Jungs verprügeln zu dürfen. Ich war regelrecht geil drauf anderen Schmerzen zuzufügen und im Ring hatte ich sogar die Erlaubnis dazu. Meine Eltern waren zufrieden. Sie dachten, damit könnte ich meine Wut kontrollieren und wäre weniger rebellisch. Doch das Boxtraining war langweilig. Stundenlang hieb ich auf den Sandsack ein, sah weit und breit keinen Sparringspartner... es war ermüdend. Michael sprach immer wieder von Konzentration, vom Geistig eins sein, das ich meine Wut kontrollieren müsste. Aber sobald ich ein "Opfer" hatte, sah ich rot und ließ alles aus mir heraus. Das Boxen brachte mir nichts also hörte ich auf.

Ich versuchte mich abzugrenzen. Mich wenig mit Leuten abzugeben. Ich war ein Einzelgänger. Aber dann und wann überkam mich dieser Drang etwas zu zerstören und ich hieb mit meiner Faust auf die Wand in meiner Wohnung ein. Beim ersten Mal brach ich mir den Mittelfinger dabei. Als ich aber immer öfter in der Notaufnahme landete kamen plötzlich unangenehme Fragen auf mich zu. Man legte mir nahe, noch mal eine Therapie zu machen. Dort traf ich sie. Wie gesagt, ich hatte Frauen. Ich hatte sogar oft Sex, manchmal fand ich sogar eine Frau, die auf Schmerzen stand. Nur ganz leicht. Als Sadist hatte ich mich nie gesehen. Ich hatte ihr den Hintern versohlt aber richtig schlagen, das konnte ich dann doch nie. Jedenfalls traf ich in meiner Therapie auf Maggie. Sie war das typische Opfer. Von ihrem Freund missbraucht und geschlagen. In unseren Gruppensitzungen hatte sie immer diesen verletzten, verstörten Blick drauf. Eines Nachmittags stand ich noch bei meiner Therapeutin, um einen Termin auszumachen. Ich fand, das sich mein Zustand um einiges gebessert hatte in den letzten Monaten und ich wollte mit ihr darüber reden. Maggie muss schon eine ganze Weile hinter mir gestanden haben bis ich sie bemerkte. Sie fragte mich nach etlichen Minuten des gegenseitigen Anstarrens ob ich mit ihr Kaffee trinken gehen würde. Eigentlich wollte ich nicht, sie machte mich nervös. Ich glaube ich wusste zu diesem Zeitpunkt das sie mir und meiner Gefühlswelt zu gefährlich werden konnte. Aber irgendwas an ihrem fragenden Blick bewegte mich dazu ja zu sagen.

Treu meinem Motto fanden wir uns natürlich am gleichen Tag in meinem Bett wieder. Ich fand es erstaunlich, nachdem sie noch nie mit einer Frau geschlafen hatte, eine wirklich miese Vergangenheit hatte, das ich mich ziemlich leicht tat sie in mein Bett zu kriegen. Eigentlich wollte ich sie in der gleichen Nacht auch wieder loswerden. Nie hatte eine meiner Eroberungen mehr als ein paar Stunden bei mir verbracht. Ich hatte auch nie eine von ihnen noch mal angerufen oder sie noch einmal in mein Bett gelassen. Ich mein, da war ja immer noch mein Problem Nähe zuzulassen, dann hatte ich immer noch diese unglaubliche Wut in meinem Bauch und wirklich gut mit Menschen war ich auch nicht. Eigentlich war ich innerlich ein psychologisches Wrack. Ein Stein. Aber Maggie ging nicht. Sie blieb die ganze Nacht. Dann plötzlich sagte sie es: "Ich liebe dich!" Als sich der erste Schock legte klinkte tief in mir etwas aus und so kam es, das ich zum ersten Mal in meinem Leben eine Frau schlug. Ich traf ihr Gesicht mehrmals mit der Faust. Sie machte überhaupt keine Anstalten sich zu schützen. Ich hieb ihr meine Faust immer wieder in den Magen, selbst ihre Tränen konnten mich nicht stoppen.

Ich schrie, spuckte sie an und als ich ihren Arm zu fassen kriegte biß ich heftig hinein. Wie lange ich mich an ihr austobte weiß ich nicht. Ihre Unfähigkeit mich zu stoppen, sich zu wehren machte mich noch rasender. Aber irgendwann beruhigte ich mich, warf mich auf´s Bett und solange ich denken kann, war es das erste Mal das ich weinte. Ich war ein Schwein. Ein Psychopath, ein Mensch mit einem großen Problem, das ich allein nicht lösen konnte. Ich hatte nie gelernt meine Wut zu bündeln und hatte sie an einer unschuldigen Frau ausgelassen, weil sie mich mochte. Nie hatte jemand zu mir gesagt, das er mich liebte. Und sie hatte es gewagt mir diese Worte um die Ohren zu klatschen, mich damit zu treffen... es tat weh. Es tat noch mehr weh, als der Treffer, den so ein Bully bei mir gelandet hatte, weil ich meine Deckung bei einem meiner zahlreichen Straßenkämpfe aufgab. Es schmerzte mehr als das Gefühl meiner Hand auf der kalten Wand, als ich sie mit voller Wucht dagegen donnerte. Erschöpft schlief ich ein.

Aber nach all dem was ich ihr angetan hatte, war sie immer noch an mir interessiert. Ich streckte ihr meinen Arm entgegen und sie nahm meine Hand. Ich zog sie etwas linkisch in meine Wohnung und mit soviel Gefühl wie ich aufbringen konnte legte ich meine Hand auf ihre Wange und streichelte sie. Als hätte mein Versuch nett zu sein eine Mauer in ihr durchbrochen warf sie sich in meine Arme und weinte. Auf meine Frage, wer ihr das blaue Auge verpasst hätte, brachte sie schluchzend nur ein Wort hervor: "Steve." Vielleicht konnte ich einmal in meinem Leben meine Wut für etwas Gutes nutzen. Ich konnte meinen Verrat an ihr wieder gut machen, in dem ich sie rächte. Ich zog sie langsam in Richtung Bett, half ihr sacht sich hinzulegen und plötzlich kam es mir so vor, als hätte ich nie etwas anderes gemacht. Ich war plötzlich so sanft, so liebevoll. All die Wut war von mir abgefallen und es machte sich ein anderes Gefühl in mir breit. Es war etwas wie Schuld. Schlechtes Gewissen, Selbsthass... ich konnte mich selbst nicht ertragen. Ich hatte die Frau, die ich liebte auf die schlimmste Art und Weise verletzt und auch wenn ich bei ihren Ex-Freund Steve auftauchen würde, ich könnte meine Schuld nie wieder gut machen. Es traf mich wie ein Blitz, ich war in Maggie verliebt. Vielleicht hatte ich sie deshalb geschlagen. Ich kannte mich, ich wusste was für ein Monster ich war und um sie um ihretwillen zu schützen hatte ich auf die einzige Art reagiert, die mir zur Verfügung stand, an die ich mich erinnern konnte.

Total erschöpft wie sie war, fiel sie in einen tiefen Schlaf. Es war mir ein Rätsel, wie sie nach all dem noch zu mir kommen konnte. Warum sie Hilfe bei mir suchte. Ich, die sie doch verletzt hatte. Aber die Gedanken mussten warten. Ich musste sie rächen. Das Taxi fuhr mich direkt zu seiner Wohnung. Ein bisschen verloren stand ich vor seiner Tür. Was, wenn ich durch die Liebe zu ihr verloren hatte, was an Wut in mir war? Was, wenn ich nichts tun konnte um meine Schuld zu mindern? Plötzlich ging die Tür auf und Steve stand vor mir. Ein hässlicher Kratzer zog sich über seine Wange und seine Lippe war aufgeplatzt. Maggie hatte sich gewehrt. Sie hatte sich in ihrem Leben das erste Mal gewehrt. Vielleicht brauchte sie mich als Retter gar nicht... ich war schon drauf und dran wieder umzukehren, bis ich sein diabolischen Grinsen sah. Er wusste genau wer ich bin, was ich bin. Wir waren beide vom gleichen Schlag. Aber ich wollte nicht mehr dazu gehören. Ich wollte mein Leben ändern und wenn sie es zu ließ, dann wollte ich es mit Maggie neu beginnen. In einer kurzen Sekunde holte ich aus und meine Faust landete direkt auf seiner Nase. Das Krachen konnte man im ganzen Hausflur hören. Durch die Wucht verlor er den Halt und landete schmerzhaft auf seinem Hintern. Damit hatte er nicht gerechnet. Ich drehte mich um und stampfte davon. Dieser eine Schlag war befriedigender als all die Kämpfe, die ich je ausgetragen hatte.

Zu Hause kühlte ich meine Hand in Eis, setzte mich auf den Rand des Bettes und betrachtete die schönste Frau der Welt. "Verzeih mir, Maggie.", sagte ich. Ob sie es tun würde, würde die Zeit zeigen, aber eines wusste ich definitiv, ich würde mein Leben ändern. Die Wut war verraucht und hatte der Liebe Platz gemacht.



copyright © by Equipoise. By publishing this on lesarion the author assures that this is her own work.



comments


dEine "Geschichte" (?)
Wau… hm. Ist das denn wirklich eine „Geschichte“? Ich will eigentlich nicht schleimen, aber ich finde das klingt echt. Du hast doch über DICH geredet?!? Wenn das so ist finde ich das mutig, ein Teil von dir der fremden Öffentlichkeit zu präsentieren.
Aggressionen habe ich auch, aber nicht oft, kann wohl daher teilweise mitfüllen (will nicht behaupten -> „voll und ganz …“, da ich nicht weis was du alles durchgemacht hast.)
Was ich jedoch nicht verstehe ist wie es dazu kommt das sich ein Teil der Menschen an Misshandlungen/Vergewaltigunge n erinnert und ein Teil nicht. Klar, es liegt an der Psyche der jeweiligen, aber wenn man das so arg verdrängt das man es nicht mehr weis, dann hat man doch andere °Hinweise°, wie seltsame andeutungsweise Alp-Träume die Zeitweise kommen und gehen (immer die gleichen…?).
Ich frage mich so was, weil das in meiner Familie auch passiert war, nur WEIS es die Betroffene.
Würde mich freuen wenn du das leist und mir antwortest. ´:}
Thoragara - 16.09.2005 22:00
Kommt mir ein wenig bekannt vor
VAMPLES - 31.08.2005 19:51
Wow
pierke - 29.08.2005 22:30
Gut geschrieben
Claudi2004 - 24.08.2005 16:44

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