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Die Einsamkeit der Nacht

von nightingale_


Ich lache wieder.
Ich lache wieder viel und gern.
Ich kann mich wieder freuen, habe mir einen Stück meiner Lebensenergie zurückerkämpft.

Ich laufe einfach in eine Stadt, die ich nicht kenne.
Ohne eine Karte. Ohne Orientierung.
Ich sehe mir die Häuser an und die Dächer und die Kirchtürme und merke mir so den Weg.
Ich setze mich auf eine Bank und fange an zu schreiben.
Ich höre auf zu schreiben.
Ich setze mich auf eine Bank und sehe den Leuten zu.

Neben mir ein Saxophonspieler.
Wenn es ein Instrument gibt, das ich nicht mag, dann ist es das Saxophon.
Aber jetzt genieße ich es.
Der alte Mann, der es spielt, ist mir sympathisch.
Er bedankt sich immer so lieb, wenn ihm jemand Geld gibt.
Er hat einen leichten Akzent.
"Danke."

Ich sitze einfach da und sehe den Leuten zu.
Ich überlege, mich in ein Café zu setzen.
Für einen Moment taucht der Gedanke wieder auf.
Der Gedanke, mich jetzt nicht allein ins Café zu setzen.
Stattdessen es lieber gemeinsam mit dir zu machen.
Ich muss mich daran erinnern, dass wir nicht mehr zusammen sind.

Ich gehe stattdessen in einen Laden hinein.
Ich sehe eine Lichterkette mit Orchideen und denke mir, die wäre für unsere geplante gemeinsame Wohnung perfekt. Für das Wohnzimmer, wenn wir es etwas dämmriger haben wollen.
Ich finde sie hübsch.
Ich überlege mir, sie zu kaufen.
Und ich muss mich daran erinnern, dass wir nicht mehr zusammen sind.

Ich drehe mich um und sehe einen kleinen weißen Bären mit einem stechend roten Herz.
Wie bei der Kirmes damals... als du bei mir in Kiel warst und du mich scherzhaft fragtest, ob du mir einen gewinnen solltest.
Ich nehme ihn und will ihn kaufen.
Und wieder muss ich mich daran erinnern, dass wir nicht mehr zusammen sind.

Ich gehe raus aus dem Geschäft. Raus aus diesem Leben.
Ein seichter Windhauch streicht mir um die Haut.
Ich lächele.
Das gehört ganz mir.
Einzelne Regentropfen fallen von den Bäumen.
Ich blicke auf, der Regen wird stärker.
Die Radfahrer weniger.
Ich laufe am Straßenrand entlang und freue mich.
Ich fange an zu lachen.
Ich fühle mich glücklich.
Ich fühle mich befreit.
Ich wünschte, der Regen würde niemals enden.
Ich wünschte, die Zeit würde stehen bleiben.
Ich lache und freue mich.
Ich fange an zu singen.
Lache.
Drehe mich im Regen.
Meinen Kopf nach oben.
Mein Gesicht erspürt die Regentropfen als würden sie meine Seele berühren.

Es geht mir gut.
Ich laufe durch den Regen, freue mich, wie es anfängt zu dämmern, wie Lichter angehen. Nach und nach. Hier und dort. Ich versuche ihnen auszuweichen.

Ich gehe. Gehe stundenlang. Marschiere, trödle, pendle.
Meine Finger streifen ein nasses Blatt.
Es freut mich.
Ich lache.

Es geht mir gut.

Und dann liege ich im Bett.
Und es ist ruhig.
Und irgendwo draußen ertönt die Sirene eines Krankenwagens.

Ich liege dort im Bett.
Und es geht mir schlecht.
Es geht mir dreckig.
Ich bin einsam.
Furchtbar einsam.
Und die Erinnerungen überkommen mich.
Sie kommen über mich wie Schläge.
Ich umklammere meinen Körper.
Ziehe die Decke fest an mich.

Ich hätte dich jetzt gern hier.

All die Erinnerungen kommen auf.
Die guten.
Ich halte ihnen die schlechten entgegen.
Der Schmerz schmerzt.
Und die Verletzung ist immer da.
Auseinandergeklafft.
Entzündet.

Es tut schrecklich weh.
Und es geht mir gar nicht gut.



copyright © by nightingale_. By publishing this on lesarion the author assures that this is her own work.



comments


@ewiee
nightingale_ - 04.10.2013 17:13
Der Schmerz in der Nacht
ewiee - 04.10.2013 00:02
Danke :)
Danke, danke
nightingale_ - 29.09.2013 23:10
Du hast Talent!
Vaney - 29.09.2013 13:14

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