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Anni TEIL VII

von stayinthelife


Am nächsten Morgen erwachte Anni mit einem dumpfen Kopfschmerz. Sie hatte Mühe, sich an alle Details des Vorabends zu erinnern. Sie setzte sich auf, wischte sich den Schlaf aus ihren Augen und starrte in den Raum hinein. Irgendetwas war anders als sonst. Sie sah sich um und erkannte fremde Möbel. Fremd, aber in ihrem Stil doch vertraut. Annis Bewusstsein kehrte in kleinen Schritten zurück. Sie befand sich im Haus ihrer Lehrerin. Anni blickte an sich hinunter und sah ihren Körper in ein langes Shirt gehüllt. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wie sie es sich angezogen hat. Unweigerlich schossen ihr die absurdesten Gedanken durch den Kopf. War sie gestern Abend zu betrunken gewesen, um sich allein aus ihren Sachen zu befreien? Just in dem Moment, als Annis Scham am größten war, klopft es an ihrer Tür. Anni sagte herein und die kleine Tochter der Lehrerin betrat den Raum. Sie setzte sich frisch und voller Tatendrang neben Anni und bat sie ihr etwas vorzulesen. Anni konnte diesem Kind unmöglich einen Wunsch abschlagen, war sie doch das Kostbarste der Person, die ihrem eigenen Schutz unterstellt war. So nahm Anni dann bereitwillig und für einen Moment ihren Kopfschmerz vergessend das Buch entgegen und begann zu lesen. Anni fand Gefallen an der Kindergeschichte, in der zwei Igel sich gegenseitig stachen, bei dem Versuch, dem anderen etwas ins Ohr zu flüstern. Noch Jahre später, wenn Anni jemanden etwas zuflüstert, soll sie sich an diese beiden Igel erinnern. Nachdem die Geschichte geendet hat, ging Anni ins Bad, um sich eine Handvoll kaltes Wasser ins Gesicht zu werfen. Noch bevor sie das Gesicht trocknete, blickte Anni in den Badspiegel und sah, wie kleine Rinnsale über ihr Gesicht liefen. Anni fühlte sich fremd in ihrem eigenen Körper und sie wusste nicht recht, woher dieses Gefühl kam. Als sie ihr Gesicht in ein sauberes Handtuch presste, hätte sie am liebsten laut los geschrien. Anni spülte ihren Mund aus, putzte mit ein wenig Zahnpasta und ihrem Zeigefinger ihre Zähne, zog sich ihre Sachen vom Vortag an und ging die Treppe hinunter. Unten in der Küche saß ihre Lehrerin und begrüßte sie mit einem Lächeln. Anni war noch immer verwirrt, funktionierte aber wie ein Uhrwerk, wenn sie es von sich selbst verlangte, so wie in diesem Moment. Als wäre nichts geschehen, setzte Anni sich an den gedeckten Tisch und schenkte sich ein Glas Saft ein. Die Tochter sprang quirlig durch die Küche und wollte in den Garten spielen gehen. Die Mutter gestatte es ihr, hat doch das Kind schon vor zwei Stunden gefrühstückt. Ein Blick auf die Uhr straft dem Frühstück tatsächlich Lügen.
Anni fragte nach einer Kopfschmerztablette, weil das Pochen in ihren Schläfen immer stärker wurde. Mit einem Lächeln überreichte ihr die Lehrerin eine, begleitet mit den Worten, dass gestern ein langer Abend gewesen sei. Anni sagte, dass das wohl stimmen müsse, denn sonst würde sie eher selten zur Mittagszeit frühstücken.
Mit einer ungeahnten Wucht kehrte auf einmal die Erinnerung an den Vorabend zurück. Anni schnitt sich ein Stück Obst auf, als sich die einzelnen Erinnerungsfragmente zu einem Gesamtbild zusammenschlossen. Als ihre Lehrerin ihr beim Italiener sagte, dass sie glaube, den Weg zurück in die Ehe verloren zu haben, schenkte sich Anni ein zweites Glas Wein ein. Sie erzählte ihr von ungeahnten Gefühlen, die sich plötzlich in ihr breit machten und von der Angst, die damit einher ging. Sie fasste Annis Hand und sagte ihr, dass sie niemanden davon erzählen könne, denn sie wüsste, dass keiner ihren plötzlichen Sinneswandel verstehen würde, ist sie doch schließlich mit einem Mann zusammen, der das Wohl der Familie ebenso verteidigt, wie sein Herkunftsland. Sie erzählte ihr von schlaflosen Nächten und dem Wunsch, diesem einen Mann in jeder Sekunde nah sein zu wollen. Anni nahm alle Worte ungefiltert in sich auf und hoffte, eine Lösung für ihre Lehrerin im Handumdrehen zu finden. Nichts entging der aufmerksamen Anni, die es schon immer vortrefflich verstand, ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken.
Nach dem Essen ging Anni mit ihrer Lehrerin leichten Schrittes, aber schweren Kopfes zum Auto. Ihre Lehrerin bot ihr an, bei ihr übernachten zu können, so könnten sie noch im Wohnzimmer bei Wein und Musik weiter reden. Anni, unfähig über die Tragweite dieses Angebotes zu reflektieren, bejahte. Es folgten zwei weitere Gläser Wein, eine wiederholt weinende Lehrerin, die Anni wiederholt zum Trost in ihre Arme nahm, um ihr wiederholt zu sagen, dass am Ende alles gut wird und wenn es noch nicht gut ist, es wohl noch nicht das Ende sei.
Ob Anni neben dem Obst noch ein Brötchen möchte, wurde sie gefragt, als ihre Erinnerung an den Weinabend, in doppelter Sinnhaftigkeit, abriss. Gern, antwortete die jugendliche Anni, die im Zuge einer Nacht ihre Jugend gegen das Leben eines Erwachsenen eintauschte, ohne zu ahnen, dass sie in den nächsten Jahren ihre Jugend nicht mehr einzufangen vermag.




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comments


Danke für euer Feedback
stayinthelife - 30.01.2014 21:43
Anni
daumen hoch...
bin auch schon gespannt, das ende muss aber noch nicht sein
sehr sehr gut geschrieben weiter so..
kleineschwäbin - 25.01.2014 20:58
Das Ende wird kommen...
stayinthelife - 22.01.2014 20:00
Ich
checkmeout - 21.01.2014 06:26
...
strassentaube - 19.01.2014 21:25

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