von stayinthelife
Die nächsten Wochen vergingen wie im Flug und Anni versuchte so gut es ihr gelang, dem Unterricht zu folgen. Der Sommer näherte sich allen Schülern und Lehrern. Die Freue darüber stand den Winterschläfern ins Gesicht geschrieben. Annis Lehrerin verkündete in der Aula, hörbar für die anwesende Schülerschaft, dass ein großes Bauprojekt in der Schule realisiert werden soll. Die ersten Fragen wurden laut. Es handele sich um den Bau eines aus Holz gefertigten Pavillons, an dem Schüler, Lehrer, begleitet von zwei Erlebnispsychologen beteiligt sind. Anni vernahm es nüchtern, stand ihr doch wenig der Sinn nach einem Gemeinschaftsvorhaben.
Einige Tage später versammelten sich alle an dem Bauprojekt Interessierten, einschließlich Anni, von der die Teilnahme stillschweigend erwartet wurde, in der Aula. Die Vorgehensweise wurde besprochen und Anni lernte die beiden Psychologen kennen. Anni empfand Sympathie, waren die Augen der beiden doch sehr leuchtend und voller Erwartung auf jene Dinge, die ihre Schatten voraus warfen. Anni sah unweit der beiden ihre Lehrerin, die mit scheinbar geröteten Wangen an den Lippen des größeren und schlankeren Psychologen hing. Anni scharfsinniger Verstand sah Dinge, die ihr Herz nicht sehen wollte. Unweigerlich erinnerte sie sich an die Worte ihrer Lehrerin, die vor wenigen Wochen zu ihr sagte, sie würde mit ihrem Mann, dem Kind zuliebe, um den Fortbestand der Ehe kämpfen. Annis Blick wanderte von dem Psychologen zur Lehrerin und wieder zurück. Ihr Verdacht erhärtete sich. War ihre Lehrerin derart von Sinnen, dass sie sich das Problem unmittelbar vor ihre Augen holte? Und Anni? Was müsse sie jetzt ertragen? War ihr Plan nicht gewesen, die Familie der Lehrerin zu schützen? Müsse sie jetzt zulassen, dass das, wofür es sich zu kämpfen lohnt, in tausend Stücke zerfällt? Anni beschloss, dem gefährlicheren Psychologen Sympathiepunkte abzuziehen.
Ehe Anni sich versah, kam sie in die 12. Klasse und das Bauprojekt nahm seinen Anfang. Bis zum frühen Nachmittag war Anni Schülerin, danach zarte Freundin ihrer Lehrerin und Unterstützerin des Pavillons. Anni kehrte eine Zeitlang erst abends zu Hause ein und zog sich danach stets in ihr Zimmer zurück. Sie brauchte Ruhe, viel Ruhe, kostete sie ein anormaler Schultag doch mehr Kraft als ihr zur Verfügung stand. Ihre Lehrerin zeigte sich erfreulicher denn je, doch Anni fürchtete nur die Ruhe vor dem Sturm.
Als Anni sich in einem ungestörten Moment mit ihrer Lehrerin befand sah sie ihr länger als gewöhnlich in die Augen und sagte zu ihr, dass sie die Anziehung zwischen ihr und dem Psychologen sähe. Wiederholt errötete ihre Lehrerin. Einerseits schien sie sich ertappt zu fühlen, andererseits zeigt sie sich aber auch dankbar endlich jemanden gefunden zu haben, mit dem sie über ihre Gedanken sprechen könne. Anni fasste ihr an die Schulter und versicherte ihr, dass sie ihr zuhören würde, komme, was wolle. Mit Tränen der Schwere und Dankbarkeit nahm die Lehrerin das Angebot an und lud Anni am nächsten Abend in die nächstgrößere Stadt des Landkreises ein.
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