Description:
Amra, die Tochter albanischer Eltern, wird nach ihrem 18. Geburtstag aus Deutschland abgeschoben. Amra, die weder das Land noch die Sprache kennt, findet sich plötzlich ohne Geld, Wohnung und Arbeit in einer ihr völlig unbekannten Welt wieder. Sie wird, um sich etwas sicherer zu fühlen, zu Amir, einem jungen Mann. Und hält sich durch Müllsammeln und Gelegenheitsjobs über Wasser. Amras deutsche Freunde bringen sie illegal zurück, aber auch hier hat sie ohne Papiere keine Perspektive auf ein „normales“ Leben mehr.
Beurteilung von Mirjam Hoff: E-Mail: mirjam@lesarion.com
Die Geschichte von „Amra und Amir“ ist mitreißend und spannend erzählt. Obwohl sehr traurig, vermeidet Maria Braig doch jedes platte Pathos. Neben einem Blick auf das Thema Heimat, wird hier auch die Frage nach den Perspektiven von Abgeschobenen gestellt, die von der Gesellschaft völlig allein gelassen werden (egal von welcher). Gleichzeitig gelingt es ihr, einen spannenden Blick auf das Thema Gender zu werfen, dass sich in Amras Fall nicht nur als Wunsch nach der eigenen Identität stellt, sondern auch als durch die gesellschaftliche Realität aufgezwungene Frage: Warum kann eine Frau noch immer nicht (überall) so frei und selbstbestimmt leben, wie ein Mann?
Sehr interessant fand ich in diesem Zusammenhang auch die Geschichte der Burrnesha Haki – einer Frau, die unter Verzicht auf sexuelle Beziehungen, Ehe und Kinder in ihrer Familie die Rolle eines Mannes übernommen hat. (Die eingeschworenen Jungfrauen – Burrneshas – sind laut Wikipedia die einzige institutionalisierte Form von Cross-Gender in Europa).
Gestört hat mich der häufige Wechsel der Perspektive. Neben dem personalen Erzähler, der schon aus verschiedenen Perspektiven erzählt, gibt es auch noch diverse ICH-Erzähler: Amra, Nina, Ma-Am, Esad – deren Erzählstimmen sich nur unwesentlich voneinander unterscheiden. Einzelne Fakten wurden dadurch mitunter so oft und so undifferenziert wiederholt, dass die Geschichte – besonders am Anfang – mit einigen Längen kämpfen muss.
Alles in allem ist „Amra und Amir“ jedoch ein interessanter Roman, der mich an einigen Stellen so wütend gemacht hat, dass ich das Gefühl hatte, mich sofort und heftig für diese jungen Menschen engagieren zu müssen, die ohne eine wirkliche Alternative in eine Heimat abgeschoben werden, die sie nicht kennen und in der sie sich nicht heimisch fühlen. Schon allein deswegen wünsche ich dem Roman ein breites Lesepublikum und viel Erfolg.
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